Minister holen den Spaten raus!

14.12.2021
Persönliche Meinung

Ein Blogbeitrag von Finja Schürmann zum Fehmarnbelttunnel

Der erste Spatenstich ist vollbracht. Am 29.11.2021 haben sich Bernd Buchholz (SH-Verkehrsminister, FDP), Enak Ferlemann (parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, CDU) und Benny Engelbrecht (dänischer Verkehrsminister) auf Ostholsteins schöner Insel Fehmarn getroffen, um es offiziell zu machen: Der Fehmarnbelttunnel kommt, ist sozusagen in seinen Startlöchern (NDR, 2021).Dass Dänemark Deutschland bereits einen Schritt voraus ist und seinen Spatenstich im Januar diesen Jahres tat, ist nicht von Belang. Was zählt ist die Symbolik des gemeinsamen, deutsch-dänischen Bauprojekts als „Aufbruch zu einer neuen Phase der deutsch-skandinavischen Zusammenarbeit“. Für uns Ostholsteiner mindestens ebenso wichtig ist der „Aufstieg[] der Fehmarnbelt-Region in eine höhere internationale Liga“ (Dr. Arno Probst; Vorsitzender des Fehmarn Business Council, FBBC, 2021; Skand.Baunews, 2021).

Fehmarnbelt-Tunnel - Alles, was ihr wissen müsst

Der Fehmarnbelttunnel ist ein kombinierter Straßen- und Eisenbahntunnel zwischen Lolland (Rødby) und Fehmarn (Puttgarden). Als Bauprojekt in der deutsch-dänischen Grenzregion ist es nicht nur von fundamentaler Bedeutung für beide Länder, sondern auch von großem Wert für Europa, das den Fehmarnbelttunnel aus TEN-T-Mitteln (Europäische Kommission, 2021) mit 500 Millionen Euro co-finanziert. Die Motivation: Als ein Schlüsselprojekt Infrastrukturlücken zwischen Skandinavien und Mitteleuropa schließen und dabei die Agglomerationsräume Hamburg und Kopenhagen verbinden.

Weshalb der Spatenstich vor kurzem so important ist und nicht nur eine oberflächliche Graberei an der Ostseeküste, erklärt sich schnell, wenn wir einen Blick auf die Dauer des langjährig geplanten Bauprojekts werfen: Erstmals wurde 2009 der Beschluss für eine Direktverbindung zwischen Dänemark und Deutschland gefasst. Mit anderen Worten: Ja, es hat bislang 12 lange Jahre benötigt, um von einem Beschluss zum Baubeginn zu kommen!

Die lange Dauer ist nicht einmal dem Müßiggang der deutschen Bürokratie zuzuschreiben, sondern unter anderem Klagen vom NABU über ungenügende Ausgleichsflächen an Riffen oder vom Aktionsbündnis gegen die feste Fehmarnbeltquerung. Insgesamt gingen in Deutschland ca. 12.600 Einwände gegen die Fehmarnbeltquerung im zweiten Anhörungsverfahren ein, während Dänemark mit nur 12 Einwänden glimpflich davon kam und schnell sein Vorhaben per Gesetz beschloss.

Zur Beruhigung: 7,1 Milliarden Euro trägt Dänemark zur Finanzierung des Tunnels bei, welches im Gegenzug zukünftig alle Mauteinnahmen erhält. Der Fehmarnbelttunnel muss sich seinen hohen Kosten keineswegs schämen: 18 Kilometer lang soll die Strecke - bestehend aus Straßen- und Eisenbahntunneln - insgesamt werden. Diese 18 Kilometer qualifizieren den geplanten Tunnel mit Abstand zum längsten Absenktunnel. Und zwar weltweit! Bisher misst der längste Absenktunnel (Westerschelde in den Niederlanden) nämlich 6,5 Kilometer - gerade einmal 1/3.

Deutschland selbst übernimmt „nur“ 3,5 Milliarden Euro für die deutsche Hinterlandanbindung, schließlich wollen wir zukünftig auch schnell und zuverlässig auf den Straßen und Schienen fahren. Dafür soll die 90 Kilometer lange Bahnstrecke zwischen Lübeck und Puttgarden auf zwei Gleise ausgebaut, elektrifiziert und mit moderner Leittechnik ausgerüstet werden. Kosten? Über 1,3 Milliarden Euro (Bahn). Hinzu kommt noch der 4-streifige Straßenausbau von Heiligenhafen bis Puttgarden einschließlich des Ersatzes der Fehmarnsundbrücke.

Aller Anfang ist schwer

Dieses internationale Megaprojekt stand allerdings bis vor kurzem noch unter einem unsicheren Stern, denn das Baurecht für den Tunnel wurde auf deutscher Seite erst vor gut einem Jahr am 3.11.2020 erteilt, nachdem alle Klagen gegen den Planfeststellungsabschluss abgewiesen wurden. Dänemark,müssen wir uns eingestehen, war uns wieder einen Schritt voraus, denn das dänische Parlament genehmigte den Bau schon 2015. Erst dieses Jahr begann die Arbeit auf Fehmarn durch die Konsortien FLC und FBC, indem das Lübecker Unternehmen Grothe Bau Frischwasser- und Abwasserkabel verlegt und zwei Umspannwerke für die Stromversorgung gebaut hat.Der inoffizielle, erste Spatenstich fand bereits im September mit dem Beginn der Tunnel-Aushebung statt. Zukünftig werden sie noch einiges zu graben haben, denn der Meeresboden muss 12 Meter tief ausgehoben werden. Der dänische Bauträger Fehmarn A/S hat sich bereits seit Juli ans Graben gemacht. Keinen Monat später - im Oktober - begann die Errichtung eines Rückhaltedamms östlich der Fähranlagen in Puttgarden, der demnächst als Arbeitshafen und zur Landgewinnung fungiert. Erst letzten Monat wurde dann die landwirtschaftlich genutzte Fläche abgetragen. Bewertung: Schleswig-Holstein befindet sich inmitten eines Großbauprojekts, Fehmarn inmitten einer Baustelle und Ostholstein inmitten von Arbeit. Arbeit gibt es für die Firmen zu Genüge, denn der Fehmarnbelttunnel besteht aus nicht weniger als 89 Tunnel-Elementen, von denen ein Standardelemt 217 Meter lang und 40 Meter breit ist! Hergestellt werden die Einzelelemente im dänischen Rødbyhavn, der sich mit 6 Fabrikhallen die größte Fabrik für Betongewinnung nennen darf - und zwar weltweit!Es wundert uns daher nicht, dass die Herstellung von nur einem Tunnelelement eine ganze Woche in Anspruch nimmt: Erst muss das Element gegossen, gehärtet, getrocknet und luftdicht versiegelt werden. Dann wird es über ein Wasserbecken durch vier Schlepper auf das Meer gezogen, exakt positioniert und mithilfe von Unterdruck abgesenkt. Unter Wasser werden die Einzelelemente zusammengefügt, indem das Wasser abgepumpt und eine sogenannte Omega-Dichtung von Innen angebracht wird. Zuletzt wird der Tunnel mit Stein- und Sandschichten an den Meeresboden angeglichen, einerseits um ihn vor Witterung zu schützen, andererseits um ihn zu fixieren. So weit, so gut. So weit der Plan. Jetzt geht es an die Praxis!

Ein Tunnel mit Vorzügen

Der Fehmarnbelttunnel selbst wird sich mit jeweils zwei Fahrstreifen für jede Richtung sowie zwei Eisenbahnschienen in jeweils separaten Tunneln rühmen können. Die Umsetzung - also Planung, Bau, Betrieb - des Tunnels erfolgt durch die dänische Projektgesellschaft Fehmarn A/S. Die deutschen Interessen beim Straßenbau werden durch die DEGES vertreten. Und der Vorteil? Durch die Erweiterung auf vier Fahrstreifen wird besonders im Sommer Stau vermieden werden können. Zudem wird die Fahrtzeit auf voraussichtlich sieben Minuten Zugfahrt bei 200 km/h und auf 10 Minuten Autofahrt bei 110 km/h verringert werden können. Zum Vergleich: Aktuell gibt es zwischen Puttgarden und Rødby lediglich eine Fährverbindung durch das Unternehmen Scandlines, dessen Fähren 45 Minuten für die Überfahrt benötigen - also gut das Vierfache!

Aus Erfahrung kann ich sagen, dass sich die Fahrt mit der Fähre lohnt - schöne Aussichten, Urlaubsgefühl, Schoppen auf dem Schiff in den unzähligen Bordshops und viel Zeit zum Entspannen. Für eine schnelle, direkte Verbindung zwischen Deutschland und Dänemark spricht die Fähre allerdings nicht, das kann nur der Tunnel von sich behaupten. Der Fehmarnbelttunnel wird die Fahrtzeit mit dem Auto oder Zug verringern, eine europäische Infrastrukturlücke schließen und eine Direktverbindung von Süditalien bis nach Schweden ermöglichen. Ergo: die Fehmarnbeltquerung ist ein einmaliges, europäisches Bauprojekt direkt vor unserer Haustür!

Heißt: Es werden voraussichtlich 600-1.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, die die Wirtschaft in Ostholstein ankurbeln. Allein Scandlines wird seine seit 1963 bestehende Monopolstellung aufgeben und seine Schiffsflotte und Arbeitnehmerzahl verkleinern müssen. Trotz der Konkurrenz zum Tunnel steht für Scandlines fest: „Wir fahren weiter“, denn treue Kunden werden weiterhin LKW-Fahrer bleiben, welche die Fährüberfahrt mit ihren vorgeschriebenen Ruhezeiten verknüpfen - ein Alleinstellungsmerkmal der Fähren.

Mit Spread-out-Effekten ist auch zu rechnen, denn es werden sich Infrastruktur- und Industrieunternehmen ansiedeln. Zu Dänemark können „engere Wirtschaftsbeziehungen“ erwartet werden und „die Wissenschaft kann sich besser austauschen“ (NDR; Enak Ferlemann).

Neben wirtschaftlichen Vorteilen wurde die Umwelt keineswegs vernachlässigt, denn „von Kurzstreckenflügen zu internationalen Zugverbindungen“ (NDR; Engelbrecht) zu wechseln, ist ein klares Zeichen für mehr Umweltfreundlichkeit. Zukünftig steigen wir also sowohl beim Güter- als auch beim Personentransport von Luftverkehr auf Schienenverkehr um. Diese nachhaltigen Ambitionen bleiben nicht ohne positive Folgen: Weil ein Güterzug sage und schreibe 52 LKWs ersetzt, werden wir unsere CO2-Emissionen stark senken können. Dass die Strecke mit erneuerbaren Energien elektrifiziert wird, konstatiert ebenfalls unser Bemühen um Klimaschutz. Mit anderen Worten: auch wir können Wirtschaft MIT Klimaschutz kombinieren!

Wir halten also fest: Der Fehmarnbelttunnel führt zur Förderung der Region in Ostholstein und zu wirtschaftlichen Chancen von Schleswig-Holstein. Kurz: Der Fehmarnbelttunnel führt unser idyllisches Bundesland auf eine internationale, europäische Ebene. Er fungiert also quasi als ein Gamechanger, zumindest wenn wir die Wirtschaftsimpulse richtig zu nutzen wissen. Somit sei abschließend gesagt: Wir sind stolz auf unser einzigartiges Bauprojekt, den Fehmarnbelttunnel! Aber: wir dürfen auf dem Tunnel allein nicht ausharren, sondern müssen um Unternehmen werben und Gewerbeflächen ausweisen - insbesondere die betroffenen Kommunen!

Wohlstand für Ostholstein fällt nicht vom Himmel

Der Erfolg des Fehmarnbelttunnels hängt aber auch daran, wie effektiv und intensiv sich grenzüberschreitende Netzwerke und Programme einbringen und dabei konkrete Projekte und Vorhaben initiieren. Denn: Die wirtschaftliche Entwicklung kommt nicht von allein. Somit sind beispielsweise also das Fehmarnbelt Business Council, das Fehmarnbelt-Komitee oder das deutsch-dänische Interreg 5A-Programm gefordert, Umsetzungsprojekte zu entwickeln. Sinnvoll wäre z.B. die Errichtung sog. „Border info points“ zur Unterstützung grenzüberschreitender Arbeitspendler, welche vor Fragen über Lohnniveaus, Steuern oder Krankenversicherungen im jeweils anderen Land stehen. Gemeinsame Planungsstäbe für grenzüberschreitende Regionalentwicklung könnten helfen, Konkurrenzdenken mit Lolland zu vermeiden. Sie könnten sogar ein gemeinsames Entwicklungskonzept für die Grenzregion erarbeiten! Um nur einige Beispiele zu nennen, die angegangen werden sollten. Es gibt viel zu tun, packen wir es an.: Die Weichen zum Erfolg müssen schon heute gestellt werden! Es liegt also nun sowohl in der Hand der Landesregierung als auch der Kommunalpolitik, auf den Zug der Innovationsinitiative aufzusteigen, anstatt unser Ass zu verspielen, indem Unternehmen und Arbeiter bis nach Hamburg abwandern und sich dort an dem bereits bestehenden Agglomerationspunkt ansiedeln. Spitz formuliert: Jetzt kann unsere CDU geführte Landesregierung abliefern, glänzen und der Ampel-Regierung in Berlin zeigen, dass auch im nördlichsten Bundesland gute, innovative Politik betrieben wird! Nur mit der Eröffnung des Tunnels müssen wir noch etwas Geduld haben, denn der Fehmarnbelttunnel wird voraussichtlich erst 2029 fertig gestellt werden. Bis dahin könnt ihr selbst die voranschreitenden Bauarbeiten unter die Lupe nehmen. Um den Werbeblock für Ostholstein zu verfeinern: die bestehende Fehmarnsundbrücke (unser „Kleiderbügel“) wird natürlich erhalten bleiben! Ein Besuch von Ostholsteins pittoresker Küste mit der Brücke bei Sonnenuntergang im Hintergrund ist mehr als empfehlenswert!

 

Quellenangaben

Europäische Kommission (2021): TEN-T projects. https://ec.europa.eu/inea/en/ten-t/ten-t-projects. Zuletzt abgerufen am 12. Dezember 2021.

FBBC – Fehmarnbelt Business Council (2021): Spatenstich Fehmarnbelt-Tunnel. https://fbbc.eu/spatenstich-fehmarnbelttunnel/. 29.11.2021. Zuletzt abgerufen am 12. Dezember 2021. Lübeck

NDR (2021): Fehmarn Spartenstich für Bau des Ostseetunnels. 29.11.2021. https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Fehmarn-Spatenstich-fuer-Bau-des-Ostseetunnels,fehmarnbelt470.html. Zuletzt abgerufen am 12. Dezember 2021.

Skand.Baunews (2021): Spatenstich für Fehmarnbelttunnel auf deutscher Seite. https://skandbaunews.e-ls.de/2021/12/01/spatenstich-fehmarntunnel/. 1.12.2021.