AUF EIN BIER MIT ÖZIL UND GÜNDOGAN?

15.05.2018
Persönliche Meinung

Von Marko Förster, Kreisvorsitzenden der JU Steinburg

Ilkay Gündogan und Mesut Özil haben sich mit Recep Tayyip Erdogan getroffen und ihm jeweils ein handsigniertes Trikot geschenkt. Sie widmeten es „ihrem Präsidenten“ und posierten für Fotos mit dem „Tyrannen vom Bosporus“.
Fußballdeutschland und sogar Menschen, die nicht wissen was Abseits ist, bekamen Schnappatmung. Wie können die beiden für unsere Nationalmannschaft spielen und dennoch diesem Despoten den Hof machen – schließlich passt dieser Auftritt in London perfekt in den türkischen Wahlkampf.

Diese beiden Männer sind Leistungsträger unseres Nationalstolzes. Mit ihnen jubelten wir, als wir Weltmeister wurden und mit ihnen weinten wir, als wir bittere Niederlagen einstecken mussten. Für uns waren sie „gut integrierte Jungs von nebenan“. Jungs die sich für uns als Deutsche aufopferten und für uns kämpften, denn die meisten von uns jubeln zwar gern wie Weltmeister, werden aber nie über Kreisklasseniveau im Volkssport Nummer 1 hinauskommen.

Wir Deutschen sind weltoffen und tolerant. Wir verachten natürlich Diktatoren wie Erdogan und da diese beiden zu „uns“ gehören, zu unserer Nationalmannschaft also quasi auch zu unserem Freundeskreis, sind wir umso geschockter zu sehen, dass sie Erdogan als „ihren Präsidenten“ sehen und scheinbar stolz auf ihn sind. So etwas spielt sich nahezu täglich ab, wenn wir von guten Freunden erfahren, dass sie auf einmal nicht mehr die SPD, sondern die AfD wählen, wie gut 50% der ehemaligen SPD-Wähler.

Die Frage ist, warum sind wir davon schockiert? Warum regt sich selbst ein Kreisklasseschiedsrichter wie Christian Schulz darüber auf, der sonst „stramm“ AfD-Parolen wiederkäut? Es ist latenter Rassismus, gepaart mit Mainstreamgutmenschentum, der sich hier gerade bis in die letzte Ecke eines volkssporthassenden Haushaltes verbreitet hat. Rassistisch, weil wir (die Zivilisierten und es einfach besser Wissenden) von „den Türken“, „den Syrern“, „den Afghanen“ und so weiter erwarten, dass sie sich anpassen und unser Denken übernehmen. Und Gutmenschentum, weil genau sie genau dieses übernehmen sollen – das Gute, das Verachten von Ideologien fernab der einzig wahren, der Ideologie der Toleranz. Ein Denken in Kategorien schwarz und weiß, beziehungsweise regenbogenfarben bunt. Jeder muss mindestens die Nationalhymne mitsingen und wenigstens ein Lobgesang auf die Demokratie, der weltbesten Errungenschaft seit der Erfindung des Fußballs, abhalten.

Das Problem daran ist, dass Demokratie eben auch bedeutet, andere Meinungen auszuhalten. Ein „hey, deine Meinung ist Blödsinn aber was solls, wir leben hier in Freiheit und trinken jetzt gemeinsam ein Bier“ ist eine der wichtigsten Errungenschaften unserer Gesellschaft. Und genau hier zeigt sich, wie intolerant unsere angeblich tolerante Gesellschaft wirklich ist. Ja Erdogan ist ein Despot, welcher unschuldige Menschen einsperrt, Familien zerstört und über die DiTiB-Gemeinden Einfluss in deutschen Moscheen nimmt. Aber wenn ein Ilkay oder ein Mesut meinen, dass dies ihr Präsident sei, den sie bewundern müssen, sollte es unsere Aufgabe sein, bei einem Bier mit den Jungs klarzustellen, dass dieser Mensch alles aber nicht bewunderungswert ist. Stattdessen ergötzen wir uns an den Bildern in London und es wird von oben herab, von den guten Deutschen schwadroniert, dass die Integration der beiden völlig gescheitert sei. Das ist für mich, als konservativer Christdemokrat purer Rassismus nach dem Motto „man muss dem Türken (setze an dieser Stelle gern welche Nationalität auch immer ein) die Welt erklären, wie sie nun mal zu sein hat“.

Ich glaube Erdogan hat die ganze Aufruhr um die Bilder mehr gebracht, als die handsignierten Trikots selbst. Er kann wieder einmal mehr zeigen, wie verdammt intolerant der ach so tolerante Westen ist und er wird die Türken weiter hinter sich einen. „Wir gegen die“ funktioniert schon seit Jahrtausenden und leider haben sich die beiden Jungs dafür hergeben lassen, egal ob sie vom Regime Erdogan maximal überzeugt sind oder schlicht einer Einladung folgten, mit dem türkischen Präsidenten zusammenzutreffen.

Fakt ist, Özil und Gündogan werden dafür bezahlt, dass sie gegen Bälle treten und nicht, dass sie Weltfrieden bringen oder der Mehrheit der Deutschen nach dem Mund reden müssen. Fakt ist auch, dass wir endlich lernen müssen zu tolerieren, wenn nicht alle unserer (auch wenn diese die beste und edelste überhaupt) Meinung sein müssen. Wir haben verlernt, zu streiten und um Positionen zu ringen. Diskurs wird stets eher als schlecht denn als befruchtend wahrgenommen und viel zu oft reden wir einfach nur der Meinungsführerschaft nach dem Mund und lassen so andere für uns denken. Patzeltsche Schweigerspiralen sprießen überall wie Pilze des postfaktischen Zeitalters aus dem Boden und ersticken den Diskurs mit ihrem Schirm aus „das sagt man nicht“ und „das ist falsch“.

Ich meine Ilkay und Mesut sind zwei der besten Mittelfeldspieler, die wir in „der Mannschaft“ aktuell haben. Ja, man könnte sie jetzt rauswerfen, weil sie politisch nicht dem Mainstream entsprechen, aber ist es das, was wir wollen – politisch korrekte Saubermänner, die die Meinung des Staates wiedergeben, wie einst Jürgen Sparwasser, Ulf Kirsten oder Matthias Sammer in der Nationalmannschaft der DDR? Ich würde lieber mit den Jungs ein Bierchen trinken, ihnen dabei erklären warum ich Erdogans Terrorregime für falsch halte, am besten bei unserem kurdischen Dönermann um die Ecke und ihnen viel Erfolg für die WM wünschen, dass wir alle wieder jubeln können. Denn zum Glück sind die beiden nicht in irgendwelche Kreistage gewählt worden, sondern eine zuverlässige Achse im deutschen Mittelfeld.