Der Milchkrise begegnen

29.06.2016
Persönliche Meinung

von Cornelia Pielow, Pressesprecherin der Jungen Union Schlewig-Holstein

Schleswig-Holstein ist landwirtschaftlich stark geprägt. Insbesondere milchviehaltende Betriebe sind aufgrund des Gunststandortes stark verbreitet. Dennoch geben immer mehr Höfe auf. So gab es 2014 im nördlichsten Bundesland noch über 4.000, 2015 noch 3.988 und 2016 nur noch 3.696 Milchviehbetriebe. Am Ende diesen Jahres werden es wahrscheinlich noch einmal wesentlich weniger sein. Der Grund ist nicht nur der andauernde Strukturwandel, sondern vor allem die aktuelle und tiefgreifende Krise des Milchmarktes. Viele Landwirte haben – wie an den Zahlen erkennbar – bereits aufgegeben, andere werden sich anschließen müssen und wieder andere sind mit solch hohen Kapitaldiensten belastet, dass die nachfolgenden Generationen es schwer haben werde, diese abzahlen zu können.

Natürlich gibt es immer wieder einmal Krisen – diese Krise ist jedoch anders als bisherige. Sie dauert wesentlich länger an und wirkt sich intensiver aus, sodass viele Landwirte völlig ratlos und vor allem am Ende ihrer Kräfte sind. Dabei sind vor allem Betriebe in Existenznot, die in den vergangenen Jahren investiert haben und nun ihre Kredite zurückzahlen müssen. Doch genau diese Betriebe sind oft von Junglandwirten oder von Landwirten mit gesicherter Hofnachfolge geführt, was die Zukunftsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft massiv ins Wanken bringt. Darüber hinaus ist nicht nur die praktische Landwirtschaft, sondern unterdessen auch der vor- und nachgelagerte Bereich von der Krise betroffen.

Doch was sollen wir tun, damit ein Ende der Krise in Sicht kommt? Darüber wird im Moment von verschiedensten Akteuren auf unterschiedlichsten Ebenen intensiv diskutiert.

Auch wenn es sehr schade ist: Es gibt leider nicht DIE eine Lösung. Es gibt jedoch viele kleine Stellschrauben, die kurz- bis langfristig helfen können, die Landwirtschaft zukunftsfähig und sicher aufzustellen. Dabei sind die viel geforderten reinen Liquiditätshilfen, die ausschließlich einen Tropfen auf dem heißen Stein sind und die vor allem die Leidensdauer vieler Betriebe nur verlängern, sowie eine staatliche Mengenregulierung meines Erachtens nicht nachhaltig. In Zeiten globalisierter und offener Märkte wäre eine Wiedereinführung der Quote ein völlig falscher Weg, der zudem langfristig gesehen die Betriebe nicht marktfähig aufstellen würde.

Darüber hinaus müsste eine solche Regulierung auf europäischer Ebene eingeführt werden, wo derzeit keine gewillte Mehrheit besteht. Maßnahmen, wie Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung oder eine Verlängerung des steuerlichen Gewinnermittlungszeitraums auf drei Jahre, können den Betrieben dagegen strukturell eher helfen. Auch die Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes, durch die nun anerkannte als auch nicht anerkannte Erzeugerorganisationen befristet Mengenabsprachen zur Reduzierung der Rohmilchproduktion treffen können, kann helfen, vor allem die Position der Landwirte in der Lieferkette zu stärken. Des Weiteren gibt es viele alternative Vermarktungsmöglichkeiten, mit denen sich die Landwirte nun auseinandersetzen sollten – auch wenn dies sicherlich nur für einen kleinen Teil der landwirtschaftlichen Betriebe immer optimal passt.

Doch nicht nur die Landwirte sind dazu aufgefordert, ihre Bewirtschaftung und Vermarktung zu überdenken und womöglich umzustrukturieren – vor allem die Molkereien sind in einem starken Handlungszwang. Hier sollte vor allem in den Bereichen Vermarktungswege, Vergütungssysteme und Risikomanagement gearbeitet werden! So werden bspw. die Möglichkeiten von Warenterminbörsen zur Preisabsicherung noch immer viel zu wenig genutzt. Hier könnte die Politik durch die Erstellung von Datensystemen Grundlagen entwickeln, solche Absicherungen stärker zu nutzen.

Doch die Molkereien haben noch weitere Handlungsmöglichkeiten: Derzeit sind die meisten Lieferbeziehungen genossenschaftlich und durch unbegrenzte Abnahmepflicht seitens der Molkereien und durch eine Andienungspflicht seitens der Landwirte gekennzeichnet. Die Vergütung erfolgt im Nachhinein auf Grundlage der Verwertung der gesamten angelieferten Milch, was bedeutet, dass die Landwirte den Durchschnittspreis der vermarkteten Milch erhalten. Vor dem Hintergrund des Wegfalls der Milchquote ist dieser Prozess jedoch zu überdenken, da bei einer solchen Systematik der Anreiz besteht, weiter die Produktion zu steigern, so den Deckungsbeitrag zu erhöhen und damit die Einnahmeausfälle auszugleichen. Daher sollte meines Erachtens das Vergütungssystem der Molkereien in Richtung Preiskategorien und mehr Transparenz verändert werden. So würde bspw. die überschüssige Milch, die auf dem Spot-Markt vermarktet wird, dem Erzeuger auch in dieser Höhe vergütet werden. Im gleichen Zuge würden die höher erzielten Preise ebenfalls an die Landwirte weitergegeben werden. Durch diese Systemänderung hätte der Landwirt Transparenz über die Vermarktung und Vergütung der Molkereien, könnte mit diesem Wissen die Produktion individueller anpassen und es würde eine marktliche Regulierung entstehen.

Nicht zuletzt sollte erwähnt werden, dass eine weitere Konzentration des Handels nicht weiter unterstützt werden kann. Entscheidungen, wie die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gegen das Kartellamt und für die Zusammenlegung von EDEKA und Kaiser‘s Tengelmann, sind daher strikt abzulehnen. 

Sicherlich gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, die Landwirtschaft markt- und zukunftsorientiert aufzustellen. Sicherlich führen nur die einzelnen Prozesse in der Summe zu einer zukunftsorientierten Aufstellung. Und sicherlich wird die Krise morgen noch nicht gelöst sein. Doch so tiefgreifend diese Krise im Moment ist –  jetzt muss die Chance von Politik, Landwirten, Molkereien und Einzelhandel gemeinsam genutzt werden, um die Branche wettbewerbsorientiert aufzustellen, damit unsere heimische Landwirtschaft in Deutschland auch noch in Zukunft gesichert ist.