EINE DANKSAGUNG

21.02.2017
Persönliche Meinung

von Birte Glißmann, stv. Landesvorsitzende und CDU Landtagskandidatin in Elmshorn

In Kinderbüchern fahren Polizeibeamte mit Streifenwagen durch die Straßen, helfen den Menschen bei Fragen und Problemen, gehen in die Schulen und erklären die Straßenverkehrsregeln und fangen Banditen. Der Polizist als Freund und Helfer eben.

Ein schönes Bild. Und ein Bild, welches der Traumberuf Polizist verdient hätte.

Hingegen ist seit längerer Zeit festzustellen, dass der Alltag eines Polizisten von anderen Umständen geprägt ist. Diese münden dann nicht selten in Frustration und führen dazu, dass motivierte Nachwuchskräfte nur noch mit großen Anstrengungen gefunden werden können. Dass hieran die Landesregierung unter Ministerpräsident Torsten Albig nicht unschuldig ist, wird sich im Folgenden noch zeigen.

Es stellt sich damit zwangsläufig die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass die Attraktivität des Polizeiberufs so stark gesunken ist?

Innenminister Studt hat vergangene Woche die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2016 vorgestellt. Das scheinbar eindeutige Ergebnis lautet: Schleswig-Holstein ist sicher. Die Gesamtkriminalität ist leicht (um 1,9%) gestiegen, ebenso wie die Aufklärungsquote (auf 54,5 %; dies bedeutet ein Plus gegenüber 2015 von 6,6%).

Allerdings sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen und bedürfen eines zweiten, genaueren Blickes. Durch die Flüchtlingskrise haben die Straftaten im Bereich des Asyl- und Ausländerrechts zugenommen. Ohne diese Taten liegt die Zunahme der Gesamtkriminalität bei 0,3%. Die Aufklärungsquote bei Ausländerdelikten liegt bei 99,9%. Zieht man diese wiederum von der Aufklärungsquote ab, kommt man auf einen Zuwachs von 1,7%. Die Aufklärungsquote mit einem Zuwachs von 6,6% zu beschreiben, wäre demnach zu kurz gegriffen.

Soweit, so gut. Eine Betrachtung der einzelnen Delikte lohnt sich umso mehr. Den stärksten Zuwachs verzeichnet der Computerbetrug (68,8%). Nachvollziehbar vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Danach folgen wie bereits dargestellt die Ausländerdelikte. Mit einem Zuwachs von 15,7% ist der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte auf Platz drei. Dahinter mit einem Zuwachs von 13,1% die gefährliche und schwere Körperverletzung.

Diese Zahlen sind es, die verunsichern. So umfasst der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nur die Gewalt gegen Polizeibeamte während einer Vollstreckungsmaßnahme. Unabhängig davon, also bei einer bloßen Streife begangene Taten, werden als Beleidigung oder Körperverletzung dokumentiert. Auch die Qualität der Körperverletzungen hat sich verändert. Mit einem einfachen Faustschlag ist es oft nicht mehr getan. Stattdessen wird sich in Gruppen zusammengeschlossen oder mit gefährlichen Werkzeugen hantiert.

Die Qualität der einzelnen Delikte hat also eindeutig zugenommen.

Der entscheidende Punkt jedoch, der in der Pressemitteilung von Innenminister Studt mit keiner Silbe erwähnt wird, ist eine Danksagung an diejenigen, die dafür sorgen, dass Taten verfolgt, aufgeklärt, angeklagt und verurteilt werden.

Dabei geben doch die oben genannten Zahlen gerade Anlass für eine solche Danksagung. Zunehmende Gewalt gegen Vollzugsbeamte, mehr Straftaten und trotzdem eine leicht gestiegene Aufklärungsquote. Dafür verdienen diejenigen, die daran mitwirken und tagtäglich ihre eigene Sicherheit für die Allgemeinheit riskieren, sowie unzählige Überstunden leisten, meinen höchsten Respekt.

Innenminister Studt hat infolge der angestiegenen Gesamtkriminalität und sinkenden Aufklärungsquoten in den letzten Jahren vermehrt Polizisten eingestellt. Die Nachwuchsgewinnung ist allerdings eine große Herausforderung. Unter den oben genannten Umständen vermag dies niemanden zu überraschen. Noch nicht berücksichtigt wurde bisher, dass die Landesregierung dem ohnehin herausfordernden Alltag der Polizeibeamten mit konsequentem Misstrauen begegnet.

So wurde die Kennzeichnungspflicht eingeführt und ein Polizeibeauftragter eingesetzt. Erklärtes Ziel war es, die durch Polizeibeamte begangenen Taten besser verfolgen zu können. Hier drängt sich der logische Gedanke auf, dass die Körperverletzungen im Amt im letzten Jahr zugenommen haben müssten.

Fehlanzeige! Die Körperverletzung im Amt ist um 10,5% zurückgegangen. Im Vergleich zu 19 Taten im Jahr 2015 sind 2016 ganze 17 (!) gezählt worden. Misstrauen war und ist also unbegründet.

Dass der Dienst zum Wohle der Sicherheit zunehmend unattraktiver wird, verwundert vor dem Hintergrund eines angestiegenen Misstrauens mit gleichzeitiger Ausweitung der Aufgaben und des Gefahrenpotentials nicht. Eine Danksagung wäre unter den Umständen das Mindeste gewesen. Ein Dank wäre auch dafür angebracht, dass die Polizeibeamten oft sehr viel Geduld mitbringen müssen.

Zwar endet die Dokumentation durch die PKS mit der Abgabe der Akten an die Staatsanwaltschaft. Abgeschlossen ist das Verfahren dann noch lange nicht. Erfolgreich ermittelt hat ein Polizist letztlich erst dann, wenn er auch den Richter davon überzeugen kann, dass der Tatverdächtige der Täter ist und dementsprechend verurteilt wird. Einstellungen und lange Verfahrensdauern prägen allerdings den Alltag. Frustration ist dabei vorprogrammiert. Und zwar nicht nur bei überarbeiteten Staatsanwälten und Richtern, sondern auch bei allen anderen Verfahrensbeteiligten. Vorwürfe, Aussagen von Polizisten vor Gericht würden nur noch anhand der Polizeiberichte getätigt, runden das Bild des Verfahrens ab.

Es kann ja schließlich nicht sein, dass ein Polizist, der tagtäglich Anzeigen aufnimmt und Verdächtige ermittelt, nach einem Jahr nicht mehr genau weiß, ob der Blinker des verunfallten Autos beim Eintreffen der Polizeibeamten noch gesetzt war oder nicht.

Wenn wir leistungsfähige und motivierte Polizeibeamte, Staatsanwälte, Richter und andere Justizbeteiligte haben möchten, brauchen wir zwei Dinge. Wir benötigen  mehr Personal in Polizei und Justiz und wir brauchen einen attraktiven Arbeitgeber. Einen Arbeitgeber, der seinem Personal vertraut und ihm den Rücken stärkt. Das heißt insbesondere Vertrauen durch die Politik als Zeichen der Anerkennung der täglichen Arbeit. Anerkennung und Vertrauen wiederum schafft man durch eine vernünftige Ausstattung und nicht durch Polizeibeauftragte oder die Kennzeichnungspflicht.

Die Chance zu einer Kehrtwende haben wir. Und zwar am 7. Mai mit einem Regierungswechsel.