
Nun bewahrheitet sich also das, was alle Bundeswehrgegner sowieso schon wussten: Die Bundeswehr ist ein Hort von Rechtsextremen mit Führungsschwäche und aufgrund eines Hangs zur Wehrmacht gibt es Haltungsprobleme. So wird es zumindest medienwirksam veröffentlicht. Das seien keine Einzelfälle, und gleichzeitig könne trotzdem nicht oft genug betont werden, dass ein überwiegender Teil der Soldatinnen und Soldaten doch einen so tollen Job mache und auf den Grundfesten der Verfassung stehe. Und anschließend gibt’s die Rolle in den Talkshows wieder rückwärts: das Schlimmste komme noch und nun müsse ein Säuberungsprozess beschritten werden. Was denn nun?
Mit diesen Aussagen und den eingeleiteten Maßnahmen wird der Bundeswehr in einer nicht zu leugnenden Krise ein Bärendienst erwiesen: Indem alle Soldatinnen und Soldaten pauschal verdächtigt werden, wird das Ansehen der Bundeswehr nicht besser. Deshalb werden nun Kasernen durchsucht, weil in Illkirch „monothematisch“ Darstellungen von Wehrmachtssoldaten an den Wänden eines Aufenthaltsraumes gefunden wurden, die in Teilen gar keine sind, sondern preußische Grenadiere abbilden. Auswüchse dieser nun durchgeführten Säuberung (genau 41 „Devotionalien“ wurden gefunden) sind von Wänden abgehangene Bilder, übermalte Wandzeichnungen, ausgeschnittene Kompanie-Leitsprüche, herausgesägte Elemente von Wandgestaltungen zur Erinnerung an Afghanistaneinsätze. Das prominenteste Opfer: Ein Bild, das den Namenspatron der Bundeswehruniversität in Hamburg Altbundeskanzler Helmut Schmidt in Uniform zeigte, wurde per Befehl entfernt. Und als wenn es nicht schlimmer ginge, wird eine Rot-Kreuz-Fahne, das Symbol für Humanität, entfernt.
Festhalten will ich aber Folgendes:
Personen, die sich in krimineller Art und Weise als Flüchtling registrieren lassen und im Verdacht stehen, Anschläge vorzubereiten, sind für mich keine Soldaten der Bundeswehr! Als ehemaligen Offizier beschämt es mich zutiefst, dass die beiden in Kasernen festgenommenen Personen Teil des Offiziercorps gewesen sein sollen.
Sollten sich die Vorwürfe in Bezug auf unwürdige Behandlungen bewahrheiten, so sind auch dort alle notwendigen Konsequenzen zu ziehen.
Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft und der Staatsanwaltschaften sind abzuwarten. Denn: Bis zur erwiesenen Schuld gilt in Deutschland immer noch die Unschuldsvermutung.
Und dennoch. Grundsätzlich muss auch folgendes gesagt werden: Mit Themen wie Kindertagesstätten in Kasernen, attraktiven Stuben (Flachbild-Fernseher und Kühlschrank), einer Arbeitszeitverordnung, einem medial wunderschön inszenierten Diversity-Workshop und einer Youtube-Serie soll die Bundeswehr also zu einem Arbeitgeber gemacht werden, der mit anderen Unternehmen um Arbeitnehmer konkurrieren kann. Klingt ja nicht schlecht, auch wenn mich das Wort „Arbeitnehmer“ im militärischen Kontext stark verwirrt. Dazu wird dann also reformiert, hier und da eine Personalie recht rabiat geändert und immer schön in Kameras gelächelt. Und die Soldaten? Ja, die sind dann Statisten dieses Schauspiels. Hundert Tage nach Berufsantritt wurde einst „das Herz für die Bundeswehr“ entdeckt. In einem System, wo Loyalität das A und O ist, recht spät. Nun werden Soldatinnen und Soldaten in Sippenhaft genommen, der Bundeswehr wird „Führungsschwäche“ und ein „Haltungsproblem“ konstatiert. Nicht einzelnen Individuen. Der gesamten Bundeswehr.
Das Ganze nachdem ein verdienter General von seinem Posten abgesetzt wird – und das freundlicherweise zuerst aus dem Internet erfährt. Hier steht mediale Aufmerksamkeit vor Besonnenheit. Von Fürsorge mag ich hier gar nicht philosophieren. Ein offener Brief gibt dann die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gänzlich dem medialen und politischen Sturm frei. Wie sollen Menschen so geführt werden? „Loyalität ist keine Einbahnstraße!“ möchte ich da Frau von der Leyen zurufen. Soldaten erwarten von ihrem Dienstherren Solidarität. So wie auch andere Bevölkerungsgruppen nicht pauschalverurteilt werden dürfen, so haben auch die Bürger in Uniform ein Recht darauf, aus Einzelfällen heraus nicht als Kollektiv verdächtigt und beschuldigt zu werden.
Nicht umsonst stoßen jetzt Linke in dasselbe Horn und kramen hervor, was nie wirklich weg war: „Soldaten sind Mörder.“ Nun also auch Nazis.
Angefangen hat die Debatte übrigens mit dem Schlagwort „Haltungsproblem“. Und anhand der sich ja fast täglich schon überschlagenden Ereignisse kann ich nur konstatieren, dass die Bundeswehr tatsächlich eine massive Führungsschwäche hat. Aber wo fangen denn diese Probleme an? – Für mich ganz oben in der Führung.
Nun soll man nicht nur kritisieren, sondern auch Vorschläge machen bzw. Lösungsansätze formulieren. Das will ich gerne tun:
Einhergehend mit der massiven Kritik an möglicherweise traditionsstiftenden Elementen der Wehrmacht für die heutige Bundeswehr wird fahrlässig missachtet, dass dem zarten Pflänzchen bundeswehreigener Tradition keine Möglichkeit zur Entfaltung gegeben wurde und wird.
Die Bundeswehr hat – nicht erst seit Afghanistan – viele „Helden“ (Bundesverteidigungsminister a.D. von Guttenberg) hervorgebracht. Kennen Sie Jan Berges, Alexander Dietzen, Henry Lukács und Markus Geist? Nein? Trösten Sie sich: Nur wenige kennen diese Namen. Diese vier Soldaten sind die ersten, denen am 6. Juli 2009 das im Jahr 2008 gestiftete Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit verliehen wurde. Mittlerweile gibt es 29 Träger dieser besonderen Stufe des Ehrenkreuzes. Drei davon erhielten es posthum.
Nun denken wir mal weiter: Diese 29 Soldaten sind in meinen Augen zu Recht Helden. Vorbilder für junge Soldaten, die Halt suchen und sich anlehnen wollen. Diese Haltsuchenden wollen das, was sie erleben, erlebt haben oder erleben werden, in Bilder projizieren. Quasi die bösen Geister „bannen“. Lassen Sie uns also eine aktive Veteranenkultur leben! Zeigen wir den jungen Soldaten diejenigen, die das schon erlebt haben. Hierfür fehlt mir jedoch ein zentrales Gedenken für unsere Gefallenen in den Auslandseinsätzen – gerade auch durch unsere Parlamentarier, die über Auslandseinsätze abstimmen. Lassen Sie uns über ein vernünftiges Veteranenkonzept – hier lasse ich mal den Aspekt der Versorgung / Fürsorge außen vor – reden und den Veteraninnen und Veteranen die Anerkennung zu Teil werden, die sie verdient haben. „Nur ein kleines bisschen Anerkennung“ wünschte sich Ralf Rönckendorf, ein in Kunduz während des Karfreitagsgefechtes 2010 schwer verwundeter und voll erblindeter Soldat, im Jahr 2011. Ermutigen wir Künstler, dass sie Szenen aus den Auslandseinsätzen gestalten, Veteraninnen und Veteranen aus der Unsichtbarkeit holen, und damit sinnstiftend für unsere jungen Soldatinnen und Soldaten sein können. Wie sonst will ich einen Traditionserlass vernünftig am Leben erhalten? Die jüngste Geschichte der deutschen Streitkräfte, die mittlerweile auch schon 62 Jahre alt ist, hat leider keine eigene lebendige Tradition hervorgebracht.
Eigene Traditionsstiftung fängt mit einem tragfähigen Veteranenkonzept an. Genau deswegen ist es jetzt an der Zeit, dass im Zuge der Überarbeitung des Traditionserlasses auch Schwung in die Erstellung des Veteranenkonzeptes kommt. Vor allem, um unseren Soldatinnen und Soldaten Halt zu geben, Sicherheit zu bieten und auch Anerkennung zukommen zu lassen, denn sie waren und sind bereit Ihr Leben für unsere Freiheit zu geben: Der Traditionserlass und ein Veteranenkonzept sind zwei Seiten derselben Medaille!
Björn Schreiber ist 35 Jahre alt und Kapitänleutnant der Reserve. In seinen 12 Dienstjahren absolvierte er drei Auslandseinsätze, u.a. zweimal in Afghanistan. Er ist Herausgeber des Buches „Die unsichtbaren Veteranen – Kriegsheimkehrer in der deutschen Gesellschaft“.
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