GELEBTE INTEGRATION

03.06.2015
Persönliche Meinung

Von Marko Förster, Ortsvorsitzender der JU Hohenlockstedt

Unter diesem Motto besuchte der Sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) vor einigen Wochen eine syrische Flüchtlingsfamilie in Stollberg (Sachsen). Warum dies auch in Schleswig-Holstein interessant ist?

Eben diese sechsköpfige Familie wird nun nach Bulgarien abgeschoben. Dort hatte Sie nach dem Grenzübertritt aus der Türkei zum ersten Mal Asyl beantragt. So wie dieser Familie geht es hunderten Flüchtlingsfamilien im nördlichsten Bundesland Deutschlands.

Seit etwa 10 Monaten betreue ich mit meiner Familie eine syrische Flüchtlingsfamilie in Kellinghusen (Steinburg). Wir waren da, als sie in der Stadt ankamen, gingen mit ihnen einkaufen, versuchten ihnen unsere Kultur näher zu bringen, stellten Kontakt zur Tafel und zu anderen Syrern her. In ihnen fanden wir herzensliebe Freunde, denen es egal ist, dass wir Christen sind und sie Muslime. Selten zuvor habe ich soviel ehrliche Dankbarkeit für mein Handeln erfahren wie von dieser Familie.

Natürlich gab es hin und wieder Turbulenzen, da sich unsere Kulturen doch in einigen Punkten unterscheiden. So zum Beispiel, als einer der drei Söhne einfach einen Roller in der Schule nahm und damit fuhr, statt sich, wie es in Deutschland üblich ist, vorher über dessen Eigentumsstatus zu informieren. Neben solch Schelmischem erlebten wir allerlei schöne aber auch nachdenklich stimmende Episoden mit unserer befreundeten Familie. Als sie eines Tages völlig aufgelöst waren und uns anhand von Videos aus ihrer Heimat zeigten, dass ihr Straßenzug, in dem ihr Haus stand, nun völlig zerbombt war und Freunde und Nachbarn sich schon seit Stunden nicht melden würden, waren auch wir den Tränen nahe und rückten näher mit ihnen zusammen.

Ahmad, er ist genauso alt wie mein Vater, war über solche Nachrichten natürlich traurig, aber er war nie verzweifelt. Eines Tages sagte er zu mir, wir waren gerade auf dem Weg zum Sprachkurs nach Itzehoe, dass es doch komisch sei. Er sei Muslim, ich bin Christ und beide könnten wir eigentlich nichts dafür, schließlich seien wir so geboren. Dennoch helfen wir einander und sind nun Freunde. Das sei großartig und eine Träne kullerte an seiner Wange herab. Er meinte, dass er in Syrien alles verloren habe. Seine Eltern seien tot, sein Haus zerstört. Die Fabrik, in der er als Metallfacharbeiter tätig war, gibt es nicht mehr und auch die beiden Autos, auf die die Familie lange gespart habe, seien nun Schrott. Er und seine Familie seien nun aber in Sicherheit, lebendig und hätten sogar Freunde.

Nach mittlerweile zehn Monaten in Deutschland, einer komplett eingerichteten Wohnung, Sprachkursen und Mitgliedschaften in speziellen DaZ-Klassen (Deutsch als Zweitsprache) und Sportvereinen und tiefen Freundschaften muss auch „meine“ Familie Deutschland verlassen. Es droht die Abschiebung nach Italien, aus dem gleichen Grund, wie bei der anfangs erwähnten Familie aus Sachsen, dank Dublin III. Ahmad ist nicht sauer oder verzweifelt, auch wenn er weiß, was Italien für Flüchtlinge bedeutet. Er ist enttäuscht, was man ihm nicht verübeln kann. Für ihn und seine Familie wurden tausende von Euro in den letzten Monaten ausgegeben, jeder sprach von Integration und sie taten, was man von ihnen verlangte, sie integrierten sich.

Die EU-Verordnung Nr. 604/2013 – kurz Dublin III – ist richtig und wichtig. Durch sie wird der europäische Staat ermittelt, der für die Durchführung des jeweiligen Asylverfahrens zuständig ist, um das Flüchtlingsproblem solidarisch in Europa zu bewältigen. Asylbewerber, die Europa erreichen und dann in Busse gesteckt und nach beispielsweise München gekarrt werden, müssen schnellstmöglich zurückgeführt werden, damit gar nicht erst falsche Erwartungen geschürt werden, wie in unserem Beispiel.

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Astrid Damerow, schrieb in einer Pressemitteilung vom 21. Mai 2015: „Ich erlebe eine überwältigende Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen aus den Krisenländern. Diese Bereitschaft gilt es angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen über Jahre zu erhalten“. Sie hat vollkommen recht, jedoch bewirkt die aktuelle Praxis leider das Gegenteil. Daran gilt es zu arbeiten und schnellstmöglich die geforderte Quotenregelung vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration umzusetzen. Nur so können wir in Europa auf Dauer aus dem Flüchtlingsproblem vielleicht sogar eine Chance machen, die den demografischen Wandel abbremst. Schicken wir jedoch weiter alle paar Monate Asylsuchende durch Europa wie ungewolltes Vieh, das keiner haben will, verlieren auch sie ihren Willen zur Integration und die Gefahr wächst, dass sie das Vertrauen und den Glauben in unsere freiheitlichen, demokratischen, westlich-europäischen Werte verlieren. Die Konsequenzen dessen, möchte ich mir nicht ausmalen. Hier ist besonders unsere Verwaltung gefordert, schnell und konsequent nach Rechtslage zu entscheiden. Auf Gutdünken vorerst den Flüchtlingen Hoffnung zu machen und sie sehenden Auges an einem mehrmonatigen „Integrationsprozess“ teilnehmen zu lassen, um sie dann abzuschieben, belastet die Flüchtlingsfamilien, den Steuerzahler und nicht zuletzt die ehrenamtlichen Helfer enorm.

Wir hoffen auf einen guten Start in Italien, den Weiterbestand unserer Freundschaft und das Beste für Ahmads Familie sowie eine ähnlich gute Integration wie hier. Vielleicht kommen sie in einigen Jahren im Rahmen der Freizügigkeit wieder, vielleicht gründen sie eine Existenz in Italien und wir können sie ab und an besuchen fahren. Am besten jedoch wäre, so Ahmad, der Krieg in Syrien würde endlich enden, IS und Assad verschwinden und sie könnten in Frieden ihre Heimat wieder aufbauen.