QUO VADIS LANDWIRTSCHAFT?

11.09.2015
Persönliche Meinung

Von Birte Glißmann, stellvertretenden Landesvorsitzende der Jungen Union Schleswig-Holstein

Wenn ich die Zeitung dieser Tage aufschlage, sehe ich Fotos von wütenden Landwirten, die mit ihren Treckern Polizeiabsperrungen und Wasserwerfer verschieben und den Straßenverkehr in Brüssel lahmlegen.

Ich kann die Landwirte verstehen. Wie kann man sich und seine Arbeit gewertschätzt fühlen, wenn man am Ende des Tages dreckig, erschöpft und mit leeren Händen zu Hause bei der Familie sitzt?!

Das Jahr ist für die Landwirte vom Wegfall der Milchquote geprägt. Der Markt wurde dereguliert und geöffnet. Jeder Landwirt kann nun so viel Milch liefern, wie er produziert hat. Und das nehmen die Landwirte gerne in Anspruch. Nicht selten wurde die Milch kurz vor dem Wegfall der Milchquote zu Hause gelagert und nicht an die Meierei verkauft, um den Strafzahlungen im Anschluss zu entgehen. Konsequenz des Ganzen war und ist ein enormer Fall des Milchpreises pro Liter von zunächst 41 Cent je kg Milch Anfang 2014[1] auf nunmehr 27 Cent pro kg Milch. Aber eine große Errungenschaft der sozialen Marktwirtschaft ist nun mal, dass der Markt sich selbst reguliert. Über Angebot und Nachfrage. Und nach Wegfall der Quote ist der Markt übersättet. Das war absehbar.

Nun wehren sich die Landwirte. Wie gesagt, ich kann das nachvollziehen. Aber nur in einem gewissen Teil. Die Landwirtschaft war und ist auch immer noch der am stärksten subventionierte Wirtschaftssektor in Deutschland und Europa. Vieles ist staatlich geregelt. Zu viel ist staatlich geregelt.

Ein Liter Milch kann zu einem Mindestpreis von 29 bis 30 Cent pro kg produziert werden. Kuhkomfort und ein riesen Auslauf sind dann aber eben nicht mehr drin. Meines Erachtens sollten die Landwirte sauer auf ihre Konsumenten sein. Denn diese kaufen bei Aldi und Lidl ihre Milch zu Spottpreisen. Ebendiesen ist es egal, woher die Milch kommt und wie sie produziert wird, Hauptsache, sie kommt von gut und günstig und wirkt sich im Geldbeutel möglichst wenig aus. Neben der günstigen Milch steht in der Regel auch die etwas teurere, eben die regionale Milch. Aber was ist denn schon der Unterschied, außer der Preis? Oft ist es aber auch einfach mangelnde Konsequenz der Verbraucher. Regionale Produkte? Klar, gerne. Aber auch mehr dafür zahlen? Ne, vielleicht dann beim nächsten Mal.

Und das schlimmste ist, die aktuelle Politik setzt noch einen drauf und stellt die Landwirte vor immer größeren Herausforderungen. Wir verlangen im Moment unmenschliches von unseren Landwirten. Das wertvollste worüber die Landwirte derzeit verfügen ist ihr Land. Mancher Orts wird mit überhöhten Pachtpreisen um das wertvolle Hab und Gut gekämpft. War man erfolgreich, steht dann aber wieder unser Landwirtschaftsminister vor der Tür, fordert Abstandsflächen von den Knicks, neue Tierschutzvorgaben und am liebsten auch noch mehr Naturschutzgebiete mit erheblich eingeschränkten Bewirtschaftungsmöglichkeiten. Somit ist das, was den Landwirten noch eine Möglichkeit für ein effizientes wirtschaften gibt, auch im Wert beschränkt.

Aber wo soll das ganze noch hinführen? Reicht es nicht, dass in Niedersachsen kaum noch Schweine produziert werden, weil es sich einfach nicht rentiert und wir mittlerweile Schweine aus Ungarn verzehren?

Der Aufschrei der Tierschützer und Möchtegern- Auskenner ist groß, wenn sie vor einer Mastanlage oder einem modernen Kuhstall stehen, und die Tiere keinen Weidegang mehr erleben. Wie denn auch? Um günstig produzieren zu können, muss das Tier günstig aber energiehaltig gefüttert werden, das lässt sich bei einer Hochleistungskuh eben nur im Stall realisieren und ein moderner Stall bedeutet für das Tier nicht nur viel Frischluft, sondern auch ein hohes Maß an Kuhkomfort.

Und wenn eine Kuh mal krank ist, dann soll sie trocken gestellt und behandelt werden, bis sie wieder gesund und munter ist. Dabei sollte man sich durchaus fragen, ob das wirklich dem Tierwohl entspräche und ehrlich gesagt kann ich es besser mit meinem Gewissen vereinbaren, ein Hüftsteak einer Kuh auf meinem Teller liegen zu haben, die von möglichen Schmerzen oder Beeinträchtigungen früh befreit wurde, als von einer, die im Stall gestanden und gewartet hat, dass es ihr irgendwann wieder besser geht.

Gar nicht daran denken möchte ich in dem Zuge, wie wohl die Schweine in Ungarn gehalten werden. Ohne Tierschutzvorgaben, ohne Naturschutzgesetze. Ganz zu schweigen von den Arbeitskräften, die ohne Mindestlohn arbeiten.

Also vielleicht sollten wir beim nächsten Einkauf mal ein wenig aufpassen, was wir kaufen und einen kurzen Gedanken an unsere regionalen Landwirte verschwenden. Denn wie gesagt, ich kann ihre Wut verstehen. Aber eben nicht in der Form, dass vermehrt staatliche Förderung verlangt wird. Denn wer ist schon zufrieden, wenn die eigene Lebensgrundlage vom Staat abhängt, obwohl man hart und viel arbeitet.

Aber die Alternativen scheinen gering. Selbstvermarktung ist möglich aber teuer und mit vielen Auflagen verbunden, Umsatteln auf Energiewirtschaft für einige schon zu spät. Was bleibt ist also weitermachen, durchhalten und hoffen, dass sich der Milchpreis von alleine wieder reguliert. Und denjenigen, für die das nicht in Frage kommt, bleibt einzig und allein der rechtzeitige Ausstieg, um schlimmeres zu vermeiden. Das ist hart. Aber das ist eine freie Wirtschaft. Und wir reden immer hin von LandWIRTSCHAFT.

[1] Statista 2015 „Preis von Kuhmilch in Deutschland von Januar 2014 bis Juni 2015 (in Euro je 100 kg)“