
Mit dem Erstarken des demographischen Wandels in Deutschland merkt die Gesellschaft in immer mehr Bereichen das Fehlen von freiwilligen Helfern. Betrachtet man nun die Situation in den ländlichen Bereichen etwas genauer, so wird einem sehr schnell bewusst, dass unser jetziges Zusammenleben nur noch von kurzer Dauer sein kann, wenn wir den vielseitigen Herausforderungen nicht entschlossen entgegentreten. In weiten Teilen des Landes klagen Feuerwehren über den altersbedingten Wegfall von Wehrführern und Kameraden. Kirchengemeinden finden auch durch aktive Suche kaum noch Nachwuchs für die Kirchenvorstände und auch das THW sucht oft vergebens Nachwuchs. Längere Anfahrtswege zur Arbeit, durch zu wenig Personal bedingte, berufliche Zusatzdienste und der schrumpfende Nachwuchsbereich treiben die Freiwilligen Feuerwehren schon zu Zwangsrekrutierungen. Ebenso ergeht es nun auch der Bundeswehr, seitdem die Wehrpflicht (wohl überwiegend aus Kostengründen) ausgesetzt wurde. Genau diese Situationsbeschreibung und Probleme veranlassten mich gemeinsam mit Jan-Hendrik Franßen schon 2016 zur Formulierung eines Antrages für die Wiedereinführung eines verpflichtenden Wahldienstes.
Nach fast 2 Jahren hat es diese Idee endlich in die breite Medienöffentlichkeit geschafft und wird postwendend von Kritikern zerpflückt, weil sie juristisch nicht umsetzbar sei. Doch sollte man wirklich diese Sichtweise auf die Idee in den Vordergrund stellen oder vielleicht doch einfach die Vor- und Nachteile diskutieren? Für mich liegt die Antwort auf der Hand und veranlasst mich, diesen Blogbeitrag zu schreiben. Besonders möchte ich auf drei Bereiche der aktuellen Diskussion eingehen:
Was bedeutet Gesellschaft?
Die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsdienstes verlangt der betroffenen Generation einiges ab und so reden die Kritiker von Freiheitsentzug und unzumutbarer Zwangsarbeit. Doch welches Verständnis von Gesellschaft steckt hinter dieser Denkweise? Für mich ist Gesellschaft kein abstraktes Gebilde, aus dem ich ein Leben lang kostenlose Leistungen beziehen kann und dem ich lediglich in verdienstvollen Jahren ein paar Euros zurückgebe. Gesellschaft bedeutet für mich auch, dass man Zeit und Engagement im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zurückgibt und selber aktiv wird in Vereinen oder Verbänden. Doch dieses Wechselspiel von Hilfe und Mithilfe scheint leider nicht in allen Köpfen angekommen zu sein. Und das obwohl ein solcher Dienst auch für den Pflichtdienstleistenden Vorteile mit sich bringt. So klagt die Wirtschaft nun schon einige Jahre über zu junge und unreife Abiturienten oder Absolventen. Ein Pflichtdienst zwischen 6 und 12 Monaten bietet den Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch Orientierung und schafft Möglichkeiten, sich selbst besser kennenzulernen. Wie oft ich während meines Abiturs oder auch im Studium schon gehört habe, dass der jeweilige Gesprächspartner eigentlich nichts mit sich anzufangen wusste und deshalb erstmal dies oder jenes angefangen hat. So kann ein solcher Pflichtdienst nicht nur bei der Bundeswehr Perspektiven eröffnen und dient allemal dazu, eine bestimmte berufliche Richtung für einen kurzen Zeitraum auszutesten.
Die Bundeswehr integrieren
Schaut man sich nun allgemein den militärischen Schutz der Bundesrepublik oder im spezielleren die deutsche Bundeswehr an, so hat in den vergangenen Jahren ein erheblicher Umbau der Truppe stattgefunden. Große Marketingkampagnen im Fernsehen und allen sozialen Medien sind heute eher das Aushängeschild der Bundeswehr als funktionsfähiges militärisches Gerät bei offenen Tagen in den Kasernen. Die technischen Probleme und vermutlichen Fehlentscheidungen bei der Planung und dem Einkauf von Gerätschaften möchte ich hier nicht thematisieren. Aber diesen kleinen Seitenhieb konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Nun zurück zum Thema: Die Bundeswehr buhlt mit großen Werbeaktionen um Personal und kann auch damit den Bedarf nicht decken. Woran das liegt, kann ich nur vermuten. Aber die Truppe ist nicht mehr das positive Identifikationsobjekt, wie noch vor einigen Jahren. Der Kontakt zur jüngeren Bevölkerung ist bis auf diese Kampagnen eher gering und die Medien zeigen auch oft kein gutes Bild. So sinkt die Attraktivität zunehmend und es fehlt den Jüngeren ein echter Anknüpfungspunkt. Genau hier kann der Pflichtdienst Abhilfe schaffen und ein unproblematisches Hereinschnuppern in diese andere Welt ermöglichen und damit auch die Personalprobleme lösen, wenn diese Zeit von der Bundeswehr klug genutzt wird, um Faszination und Interesse der jungen Generation zu wecken.
Pflegenotstand und Betreuung
Der Pflegenotstand und menschenwürdige Verhältnisse in Altersheimen, Krankenhäusern oder im Hospiz werden von einigen Befürwortern des Gesellschaftsdienstes oft als vermeidbar dargestellt, wenn man einen solchen Dienst umsetzen würde. Dieser Meinung kann ich leider nur zum Teil zustimmen, denn ungelernte Kräfte können nicht mit ausgelerntem Pflegepersonal verglichen werden. Falls dem doch so wäre, dann wäre die üblicherweise dreijährige Ausbildung überflüssig und dem kann ich aus persönlichen Erfahrungen widersprechen. Doch gänzlich unnütz ist ein solcher Dienst auch für diesen Bereich nicht. Denn neben der medizinischen Versorgung gibt es einen anderen großen Aufgabenbereich des Pflegepersonals und hier können ungelernte Kräfte Welten bewegen. So braucht es auch menschliche Betreuung oder in schlimmeren Fällen vielleicht sogar Versorgung, denn kranke oder alte Menschen brauchen oft den sozialen Kontakt zum Pflegepersonal, welcher in den letzten Jahren zunehmend wegrationiert wurde. Hier können Pflichtdienstleistende einen wichtigen Beitrag zu einer humanen Gesellschaft beitragen.
Natürlich gibt es noch viele weitere Bereiche und Argumente für einen verpflichtenden Wahldienst, der von Frauen und Männern gleichermaßen ausgeübt wird. Nach fast 1.000 Wörtern seid aber nun erstmal Ihr gefragt mitzudiskutieren. Ich freue mich schon auf Eure Wortbeiträge!
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