VON VEGANERN UND HATESPEECH

19.01.2017
Persönliche Meinung

von Marko Förster, Kreisvorsitzender der JU Steinburg

Vor etwa zwei Monaten wurde meine Frau auf offener Straße von einer jungen Frau „gemaßregelt“, weil sich an ihrer damals neuen Jacke ein Fellkragen befindet. Für uns war das nie ein Thema, die Markenjacke war im Schlussverkauf von 200,- € auf knapp 80,- € gesenkt worden. Ein Schnäppchen, mit, wie wir festgestellt haben, Kunstfellkragen und Beigeschmack.

In Deutschland herrscht ein Kulturkampf. Wurden noch vor zwanzig Jahren Vegetarier belächelt, hat sich mittlerweile daraus eine Art Ersatzreligion entwickelt. Es ist schon so weit, um im theologischen Sprachterminus zu verweilen, dass sich innerhalb dieser Religion eine Reformation ereignet hat und mittlerweile Vegetarier von Veganern (Menschen, die die Nutzung von Tieren und tierischen Produkten komplett ablehnen), verbal angegriffen werden. Feinde veganer Lebensweise sind schnell ausgemacht. Es sind die Fleischesser, die Fleischproduzenten, vorrangig konventionelle Landwirte und vereinfacht alle anderen, die nicht ihr gesamtes Handeln auf eine vegane Lebensweise ausrichten. Auf den ersten Blick klingt es maßlos übertrieben, doch auf den zweiten Blick bereitet mir der Hass, der von militanten Tierschützern ausgeht, mehr und mehr Sorgen.

Wie wurde sich in Deutschland aufgeregt, als in Wuppertal eine selbsternannte Scharia-Polizei unbescholtene Mitbürger belehrte, wie diese sich nach vermeintlich islamischen Gesetzen zu verhalten hätten. Genau dies passiert aktuell auch in Essen. Nur sind es dort Tierschützer und nicht Salafisten, die in Polizeioptik die Menschen belehren, dass es schlecht sei, Tierpelz zu tragen. Noch schlimmer erwischte es Daniela Kuge. Die Landtagsabgeordnete aus Sachsen erntete für einen vermeintlich witzigen Post mit Pelzkragen einen so heftigen Shit-Storm, dass sie nun rechtlich gegen vereinzelte Posts vorgeht und ihr Facebookaccount aktuell geschlossen ist.

Tierschutz ist wichtig. Einer meiner Lieblingstierschützer ist Moritz. Er ist fast immer, wenn ich ihn anrufe, irgendwo im Wald unterwegs. Er forstet diesen jährlich in Programmen mit auf, beim Müllsammeln im Frühling helfe ich ihm immer gern und letztens machte er mich auf die Situation von Rehen aufmerksam, die von freilaufenden Hunden immer wieder gerissen werden. Moritz ist Jäger, somit spielt dieser Tierschützer aber in der gleichen Liga wie die eingangs erwähnten Fellkragenträger und konventionellen Landwirte. Oft wird er von Kommilitonen angefeindet, wenn er sich in der Uni als Waidmann „outet“.

Für mich stellt sich nun die Frage, ob es guten und schlechten Tierschutz gibt? Nüchtern betrachtet gibt es in Deutschland ein Tierschutzgesetz, was genau solche Fragen regelt. In ihm steht: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ In unserem Land definiert der Gesetzgeber sogar diesen „vernünftigen Grund“. Darunter fällt unter anderem die geregelte Verarbeitung von Nutztieren zu Nahrung und Kleidung oder eben die Jagd unter den geltenden gesetzlichen Voraussetzungen.

Brauchen wir eine Debatte um unbedingten Tierverzicht? Ja, denn es ist wichtig miteinander zu diskutieren, egal um welches Thema es sich handelt. Das macht unsere bunte Gesellschaft aus. Doch die Grenzen sind überschritten, wo sich aus sachbezogenen Debatten Hass entwickelt und sich Drohungen und Beleidigungen ergießen. Es fehlt auch in der Auseinandersetzung um Tierverzicht vor allem an Empathie und Augenmaß. Wo Menschen sich durch ihr Handeln anderen überlegen fühlen und die anscheinend Unterlegenen mit entwürdigenden Hassbotschaften „umerziehen“ oder auch „nur“ verletzen wollen, verabschieden wir uns vom demokratischen und zivilisierten Miteinander, egal ob es montags in Dresden angeblich um die Rettung des Abendlandes oder zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt im Internet um die Rettung von Nutztieren vor der Fellkragenindustrie geht.