
Längst ist er angekommen in Schleswig-Holstein. 2007 wurde erstmals seit zweihundert Jahren im Kreis Ostholstein wieder eine Wolfssichtung bestätigt. Experten gehen in Deutschland aktuell von rund 330 Tieren aus. Ihr Verbreitungsgebiet konzentriert sich dabei vor allem auf die Lausitz, einer Landschaft in Brandenburg und Sachsen. Von dort aus breiten sie sich in nordwestlicher Richtung über Sachsen-Anhalt und Niedersachsen weiter aus. Zusammen mit den Beständen im westlichen Polen, ordnet man die heimischen Wölfe der Mitteleuropäischen Flachlandpopulation zu. Auch wenn es in Schleswig-Holstein bisher keine sesshaften Rudel gibt, so konnten in den letzten Jahren immer wieder Wolfssichtungen vermeldet werden.
In ganz Europa geht man von ca. 12.000 Wölfen aus. Größere Populationen existieren nicht nur in den Wäldern des Baltikums und Südosteuropas, sondern auch in Industriestaaten wie Italien und Spanien. Der Wolf beweist sich einmal mehr als ein faszinierendes Wildtier. Seine bevorzugte Lebensweise ist die in einem Rudel. Dabei handelt es sich um einen engen familiären Verbund, bestehend aus einem Elternpaar, inklusive der diesjährigen und vorjährigen Nachkommen. Geschlechtsreife Jungtiere verlassen im Alter von etwa zwei Jahren ihr Rudel und suchen sich ein eigenes Revier, dabei können sie Distanzen von mehreren hundert Kilometern zurücklegen.
Das Bundesamt für Naturschutz bescheinigt weiten Teilen der Republik die Eignung als Lebensraum für den Wolf; eine bundesweite Ausbreitung erscheint daher keinesfalls mehr abwegig. Experten gehen in der Tat von einem exponentiellen Wachstum der Wolfspopulation aus. Sie prognostizieren für das Jahr 2025 eine Zahl von rund 4000 Wölfen (ca. 440 Rudel) in der BRD, dies kennzeichnet gleichzeitig das vermutete ökologische Optimum. Der Wolf ist also ohne Zweifel ein Bestandteil der europäischen Natur. In Schleswig-Holstein stellt sich somit längst nicht mehr die Frage, ob er gewollt oder gebraucht wird, sondern viel mehr wie man mit ihm umgeht. Sensibel sind insbesondere die Berührungspunkte zwischen Wolf und Mensch bzw. seinen Haus-/Nutztieren. Ein zusätzlicher Anstieg der Wolfsdichte im Land macht eine nüchterne und sachliche Konfliktlösung dabei unerlässlich.
Der Wolf gehört gemäß § 10 Absatz 2 Nr. 10 und 11 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) zu den besonders und streng geschützten Arten. Er unterliegt damit dem umfassenden Schutz der Zugriffs- und Besitzverbote des § 42 BNatSchG. Dies betrifft insbesondere das Töten von Wölfen. Verboten ist z. B. das Töten eines erkennbar schwer verletzten Wolfes bzw. eines Hybriden, sofern dafür keine ausdrückliche Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörde vorliegt. Ist die zuständige Naturschutzbehörde, bspw. im Rahmen eines Wildunfalles, nicht verfügbar, so fällt die Entscheidungsgewalt im Notfall der Polizei zu.
Wildlebende Wölfe stellen im Allgemeinen keine direkte Gefahr für den Menschen dar. In Einzelfällen kann jedoch von verhaltensauffälligen Tieren ein erhebliches Risiko ausgehen. Sie haben z. B. durch Futterkonditionierung ihre natürliche Scheu verloren; es handelt sich hierbei um sog. habituierte Wölfe. Die zuständige Behörde darf und muss in solchen Fällen unverzüglich Einzeltiere zur Entnahme freigeben. In der Vergangenheit haben derartige Sachverhalte jedoch zu massiven Anfeindungen und Bedrohungen seitens großer Teile der Bevölkerung geführt. Damit droht ein rationaler Zugang zur Problemlösung unweigerlich abhanden zu kommen.
Ein empfindliches Thema, vor allem auf emotionaler Ebene, stellen zudem Übergriffe auf Haus- und Jagdhunde dar. Zwar ist die Gefahr für Haushunde aktuell in Deutschland äußerst gering, mit einer wachsenden Populationsdichte kann sich die Situation jedoch rasch verschärfen. Hundebesitzer seien hier an ihre Leinenpflicht erinnert, ein Zuwiderhandeln ist fahrlässig. Auch Jäger handeln letztlich auf eigene Gefahr, wenn sie ihren Hund bei der Jagd einsetzen.
Ein wesentliches Konfliktpotenzial liefern des Weiteren Übergriffe des Wolfes auf Weidetiere. Als besonders gefährdet gelten Schafe und Ziegen. Für Schleswig-Holstein spielt gerade die Schafhaltung mit rund 200.000 Tieren eine besondere Rolle: Der Großteil der Tiere weidet auf den Deichen der Ost- und Westküste sowie an zahlreichen Flussdeichen. Hier erfüllen sie einen wesentlichen Beitrag zum Küstenschutz. Mit ihrem Biss halten sie die Grasnarbe kurz und verfestigen sie gleichzeitig mit ihren Hufen. Um Weidetiere zu schützen, existieren bereits eine Reihe von staatlich geförderten Präventionsmaßnahmen. Hierbei handelt es sich z. B. um engmaschige Elektrozäune oder sog. Herdenschutzhunde. Mal abgesehen davon, dass der Umgang mit Herdenschutzhunden ein erhebliches Fachwissen und Erfahrung verlangt, scheinen die bewährten Herdenschutzmaßnahmen in Schleswig-Holstein nur sehr bedingt praktikabel. Das Besondere an der heimischen Weidewirtschaft, ist ihre relative Kleinteiligkeit. Diese würde, denkt man an die Elektrozäune, die man für unzählige Kilometer benötigte, überproportional hohe Kosten verursachen. Hinzu käme noch der beträchtliche Arbeits- und Zeitaufwand für die Tierhalter.
Wolfsrisse können einen immensen Schaden verursachen. Dabei gilt es, zwischen den unmittelbaren und mittelbaren Schäden zu unterscheiden. Die mittelbaren Folgen wiegen häufig weitaus schwerer und können den betroffenen Schäfer in eine existenzbedrohende Lage versetzen. Neben direkt getöteten, kommt es häufig zu unterschiedlich schwer verletzten Tieren. Die in Panik versetzte Herde kann ausbrechen und nicht selten zu einem Verkehrsrisiko auf Straßen und Bahntrassen mutieren. Als Spätfolge tritt zudem häufig der Verlust ungeborener Lämmer (Verlammen) ein; gerade hierdurch entsteht dem Schäfer ein unabsehbarer Schaden. Die Entwicklung eines tragfähigen, landesspezifischen Herdenschutzprogrammes ist somit eine der Grundvoraussetzungen für ein Zusammenleben mit dem Wolf. Eine mutwillige Existenzgefährdung der Schafhaltung ist nicht hinnehmbar und sollte auch nicht im Interesse der Landesregierung sein. Wenn der Wolf politisch gewollt ist, muss eine vollständige und umfassende finanzielle Entschädigung der Nutztierhalter ohne Einschränkungen gewährleistet sein. Eine Deckelung der Kostenübernahme ist inakzeptabel.
Auch Auswirkungen auf die Bestände einzelner Schalenwildarten sind nicht auszuschließen. Reh-, Dam- und Rotwild gehören zur Hauptbeute der Wölfe. Die Hoffnung, dass die Schaden verursachenden Schwarzwildbestände merklich reduziert werden, gilt jedoch als wenig vielversprechend. Adulte Wildschweine sind äußerst wehrhaft; Studien belegen, dass allenfalls unachtsame Jungtiere eine Beute für den Wolf darstellen.
Das Fazit: Wenn wir in Schleswig-Holstein langfristig mit dem Wolf zusammenleben wollen, bedarf es eines ausgewogenen und nachhaltigen Wolfsmanagments. Hierzu gehört zunächst ein umfassendes Monitoring. Verhaltensauffällige Wölfe müssen rasch und zuverlässig identifiziert werden. Wolfsangriffe dürfen weder verharmlost, noch der Öffentlichkeit vorenthalten werden. Die Landesregierung sollte einerseits Ängste, andererseits aber auch ideologische Ansichten abbauen. Für die benannten Konfliktfelder müssen effektive Lösungsansätze entwickelt und umgesetzt werden. Sollte es wirklich zu dem vorausgesagten Anwachsen der Wolfspopulation im Land kommen, so muss langfristig auch über eine punktuelle Bejagung nachgedacht werden dürfen. Kategorische Denkverbote sind hier fehl am Platz. Die Junge Union Schleswig-Holstein hat sich bereits auf dem vergangenen SHR in Barmstedt intensiv mit der Thematik Wolf beschäftigt. Ihre klare Positionierung in Form eines Sachantrages begrüße ich ausdrücklich.
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