DER WOLF IN SCHLESWIG-HOLSTEIN

19.03.2019

Cornelia Pielow, Stellvertretende Landesvorsitzende der Jungen Union Schleswig-Holstein, fordert Ehrlichkeit beim Umgang mit dem Wolf.

Der Wolf ist derzeit eines der dominierenden Themen in Schleswig-Holstein.
Man kann sich fragen, wie es sein kann, dass vereinzelte Tiere ein ganzes Land in eine emotionale Debatte stürzen können. Um das zu verstehen, muss man sich in beide Positionen hineinversetzen. Um das zu lösen, braucht es Aufklärung und vor allem eine ehrliche, vorausschauende und sachliche Debatte.

Der Wolf streift nach langer Abwesenheit wieder durch Schleswig-Holstein. Unterdessen hat er sogar den Nord-Ostsee-Kanal überwunden und ist in zahlreichen Orten und an Stadträndern gesichtet worden. Er ist sesshaft geworden.
Das Problem ist nicht, dass der Wolf wieder in Deutschland verbreitet ist, das Problem ist der Umgang mit dieser Verbreitung.
Die Befürworter des Wolfs und vieler selbsternannten Wolfsexperten haben schon bei dem Aufkommen erster Sorgen, jegliche Diskussion im Keim erstickt und vor Panik gewarnt. Sie wollten auf die Ängste und Sorgen der Bevölkerung und der Landwirte nicht ernsthaft eingehen. Das entpuppt sich jetzt als Problem, da die Wolfsgegner nach häufig auftretenden Problemen nun denken: „Am Anfang habt ihr uns nicht ernst genommen, also müssen wir lauter werden, damit ihr uns hört“. Das gehört zu Politik, klar, aber es ist schade, dass es zu dieser aufgeheizten Debatte kommen musste – nur weil man von Beginn an die Fakten ein wenig verschönert hat und nicht auf die Ängste besorgter Personen ernsthaft und ehrlich eingegangen ist.
Der Wolf wurde in Deutschland quasi ausgerottet. Das kann man falsch finden, aber man muss sich zumindest die Gründe hierfür anschauen. Man kann nach der langen Zeit der Abwesenheit nicht annehmen, dass sich das Verhalten des Wolfes währenddessen geändert hat und, dass bei einer größeren Bevölkerungsdichte und bei der immer größer werdenden Notwendigkeit des Deichschutzes der Wolf kein Problem darstellt. Das war schlichtweg naiv. Man hätte die Eingliederung des Wolfes direkt zu Beginn wissenschaftlich und vor allem mit einem strategischen Wolfsmanagement begleiten müssen. Stattdessen hat man es versäumt, klare Ziele für die Regionen festzulegen.

Nun ist die Aufregung auf beiden Seiten groß, da sich unterdessen -trotz aller Schönrederei- gezeigt hat, dass der Wolf sehr nah an Siedlungen und Menschen herankommt, Schafe reißt, obwohl er sie nur „anbeißt“ und sich mit Hunden paart (Vorfälle in Brandenburg). Daraufhin kam der Plan auf, Schafe mit einem wolfssicheren Zaun einzuzäunen. Schwierig, da dieser bei 350.000 Weidetieren im Sommer ziemlich teuer und aufwändig ist und, dass der Wolf sich auch hier wieder nicht an die Regeln hält und diese überspringt. Wieder falsch gedacht, wieder nicht auf die Bedenken gehört. Solche Erfahrungen führen leider zum Frust bei denjenigen, die von Beginn gegen den Wolf waren. Das Resultat: Die Stimmung wird erneut aufgeheizt.

Gut ist jedoch, dass endlich beschlossen worden ist, „verhaltensauffällige“ Wölfe zu entnehmen. Es ist der richtige Weg! Die Wolfs-Gegner denken jedoch „nur weil wir so laut waren, passiert etwas“. Die Politik läuft in diesem Fall leider hinterher, anstatt diese aktiv zu gestalten. In anderen Ländern hat man sich nicht erst monatelang aus der Verantwortung aufgrund von EU-Beschlüsse gezogen, sondern hat gehandelt. Es wäre also möglich gewesen, denn Strafen fielen aus.

Aufgrund des Wolfs wurde sich, wie bereits beschrieben, unterdessen für Hürden in der Natur entschieden: Der Wolfszaun. Problem: Der Wolf kann die Hürde überwinden, andere Wildtiere nicht. Das bedeutet – der Zaun schneidet anderen Wildtieren in ihrem Habitat ein, Niederwild, Feldhasen, Eulen und Amphibien verenden in den Zäunen zum Teil qualvoll. Steht der Wolf also über den anderen zahlreichen Wildtieren? Es scheint so.

Einen solchen Widerspruch erlebe ich leider immer häufiger in der Debatte rund um die Landwirtschaft oder die Natur. Man kann leider nicht alles haben, das ist das Problem. Man kann nicht den Wolf ansiedeln, ohne dass Schafe gerissen werden. Man kann nicht alle Menschen auf dieser Welt ernähren und gleichzeitig auf jedem grünen Fleck Naturschutzgebiete erlassen. Man kann nicht mehr Wohnungsgebiete bauen ohne gleichzeitig Flächen zu versiegeln. Es gibt viele Vorteile bei Weidehaltung für die Tiere, aber gleichzeitig erzeugen sie weniger Milch und es führt auf den Flächen zu punktuellen Eintragungen von Nitrat.
Wie oft diskutiere ich über Bio- versus Konventionelle Landwirtschaft. Naturschutz versus Landwirtschaft. Das ist absurd! Alles hat seine Auswirkungen. Das ist gerade das tolle an der Natur. Wenn man eine Entscheidung trifft hat man nicht nur eine, sondern viele Folgen. Alles spielt zusammen. Aber genau deswegen brauchen wir eine ehrliche Debatte.
Denn gerade Personen, die tagtäglich in der Natur arbeiten und leben, wissen um diese Effekte. Es hilft hierbei nicht diese zu verschweigen oder Debatten einseitig zu führen.

Die Spitze des Eisbergs wurde jedoch in der vergangenen Woche erreicht, als das Video von „Quarks“, einer Wissenssendung der ARD, veröffentlicht wurde. Ein Video von einem Sender, der von jedem einzelnem Haushalt bezahlt wird, da eine unabhängige und sachliche Berichterstattung in Deutschland gebraucht wird. Dem stimme ich zu. Was in diesem Video jedoch veröffentlich wurde, erschrak mich zutiefst. Ein Faktencheck zum Wolf, der sich nicht ausschließlich an Fakten orientierte. Ich weiß nicht, wer dieses Video produziert hat und ob der Inhalt überhaupt kontrolliert wurde. Eine Woche später ist das Video noch immer online und ich noch immer schockiert. Zum Hintergrund: In diesem Video wird unter anderem verbreitet, dass der Wolf sich nicht ausbreiten, richtig essen und leben kann, da der böse Mensch Straßen baue. Liebe ARD– der Wolf hat den Nord-Ostsee-Kanal überwunden, einfache Landstraßen sind also ein leichtes für ihn. Der Wolf vermehrt sich – es scheint ihm also sehr gut zu gehen. Ich habe bisher noch von keinem verhungerten Wolf in Deutschland gehört, der kläglich gestorben ist, weil er nicht an Futter aufgrund einer Straße kam. Ich weiß nicht wo dieser Sachverhalt recherchiert wurde, aber an der Realität orientiert er sich nicht.

Ich fordere also eine ehrliche Debatte, bei der auf alle Ängste und Sorgen eingegangen wird und mit Fakten argumentiert wird. Verdrängen oder Vertragen hilft nicht, es kommt ja ohnehin raus.
Ich fordere wolfsfreie Gebiete – Im Herzogtum Lauenburg gibt es bisher keinerlei Probleme zwischen Wolf und Bevölkerung und Landwirten, in Dithmarschen, Pinneberg und Steinburg jedoch schon. Hier leben die Schafhalter, die gleichzeitig den wichtigen Deichschutz (Klimawandel!) betreiben. Hier könnte man Wölfe zur Entnahme bei vermehrten Rissen freigeben.
Ich fordere zu überlegen, wie viele Wölfe Landwirte, die Bevölkerung und die Natur „ertragen“ können. Denn – sie werden sich vermehren. Und bereits jetzt sollte man die Strategie für Eventualitäten in fünf Jahren diskutieren, damit man nicht wieder einer aufgeheizten Stimmung hinterherlaufen muss und wirklich jeder unzufrieden ist.

Als Junge Union wollen wir zur Aufklärung beitragen und haben daher einen ehrlichen Faktencheck vorbereitet.