Blogbeitrag zur geschlechtergerechten Sprache (Teil 2)

22.04.2021
Persönliche Meinung

Blogbeitrag von Antonia Grage, Kreisvorsitzende der JU Kiel, zur aktuellen Diskussion ums Gendern

Warum gendersensible Sprache nicht der Untergang ist, sondern so normal wie ‘ne steife Brise an der Küste

JUler, Politiker, Lehrer, Professoren, Freunde. Ich als Frau fühle mich mit diesen Begriffen nicht angesprochen und nein, auch nicht mitgemeint. Ich will explizit genannt werden – und so geht es auch sehr vielen JUlerinnen, Politikerinnen, Lehrerinnen, Professorinnen und Freundinnen in diesem Land. Es beschämt mich zutiefst, dass während Antragsberatungen der Jungen Union nicht nur die berechtigten Änderungsanträge zu Inhalten gestellt werden, sondern auch Änderungsanträge mit dem Ziel, die weibliche Form eines Wortes zu streichen: aus „Studentinnen und Studenten“ wird „Studenten“, weil das ja erstens Beschlusslage sei und zweitens die männliche Form ja alles miteinschließe. Zu erstens: Diesen Beschluss müssen wir dringend ändern. Zu zweitens: Wir sind keine linken Dogmatiker, sondern machen praktische Politik. Und wenn die Wissenschaft unzweifelhaft feststellt, dass männliche und weibliche Begriffe für die Aktivierung von Frauen wichtig sind, dann dürfen wir uns dem nicht verschließen so wie linke Maoisten, die in ihrer eigenen Welt leben. Wenn wir als Volkspartei Erfolg haben wollen, müssen wir das ganze Volk ansprechen und auch das ganze Volk repräsentieren. Deswegen setze ich mich in JU und CDU dafür ein, dass wir für Mädchen und Frauen attraktiver werden. Das beginnt bei Formaten und Themen, die weibliche Mitglieder ansprechen, geht über quotierte Vorstände und schließt auch inklusive Sprache mit ein.

Sprache prägt uns seit Kindesbeinen an. Zahlreiche Studien zeigen uns, dass Sprache unsere Vorstellungen davon, wie etwas zu sein hat, beeinflusst. Unter einem Piloten oder einem Arzt stellen wir uns einen Mann vor. Wenn wir immer nur von Physikern und Ingenieuren sprechen, trauen sich Mädchen diese Jobs weniger zu. Dazu gibt es umfangreiche, psychologische Studien, zum Beispiel von der FU in Berlin. Dabei müssen wir, wenn es uns wirklich um Leistung geht, doch die besten Köpfe aus ALLEN Kindern finden, nicht nur aus den Jungs. Es macht einen Unterschied, wenn in den Kinderbüchern von Feuerwehrmännern und Feuerwehrfrauen die Rede ist und die Prinzessin den Ritter vor dem Drachen rettet. Es ist außerdem Aufgabe von Sprache, Wirklichkeit abzubilden: 2019 studierten rund 98.000 Menschen das Fach Medizin, 62% davon waren Frauen. Von 98.000 Studenten zu sprechen, obwohl es mehr Studentinnen als Studenten waren, ist dann kein Abbild der Wirklichkeit mehr. Wie wäre es denn mit „Studentinnen und Studenten“? Aber das wird denjenigen, die sich gegen gendersensible Sprache wehren, auch nicht gefallen. Denn sie sind nicht etwa sprech- oder schreibfaul, nein, sie beschwören das trotzige Festhalten am generischen Maskulinum als letzte Bastion gegen die Übernahme des Konservativen durch feindliches Gedankengut. *, : und Co. sind in ihren Augen nichts anderes als die giftigen Pfeile der heranrauschenden, fahrradfahrenden, sich vegan ernährenden, häuserbesetzenden, links-grünen Truppe, die gewillt ist, der deutschen Sprache ein Stück ihrer generischen Heiligkeit (und wahrscheinlich auch Männlichkeit) zu nehmen.

Seit einiger Zeit übe ich mich im Verwenden von genderneutralen Begriffen wie Lehrkraft oder Studierendenschaft sowie des Doppelpunktes: JUler:innen, Politiker:innen, Lehrer:innen, Professor:innen und Freund:innen. Der Doppelpunkt spart sogar Platz und ist besser lesbar als *, _ oder Binnen-I. Ich benutze ihn auch oder gerade als überzeugtes JU- und CDU-Mitglied. Denn das schließt sich nicht aus. In unserer Gesellschaft und auch in unserer Partei gibt es Männer und Frauen, Hetero- und Homosexuelle und auch Menschen, die beides oder auch gar nichts davon sind. Wo ist das Problem? Ich sehe da keins. Meine Partei ist eine Partei, die Menschen in ihrer Vielfalt sieht und wertschätzt, die sich unterschiedliche Eigenschaften, Talente und Interessen ihrer Mitglieder zu eigen macht und damit dieses Land in einer Weise voranbringt, wie keine andere Partei es schafft. Platt gesagt: Beim Plakatieren sind wir alle gleich. Und wir brauchen jede Person, die mitanpackt. Warum also sträuben wir uns so vehement – ich empfinde es mittlerweile einfach nur noch als peinlich –, diese tatsächliche Vielfalt nicht auch in unserer Sprache abzubilden?

Seien wir doch mal ehrlich: Im konservativen Lager regt sich doch nur so viel Widerstand gegen *, : und Co., weil die Linken und die Grünen sich die Abbildung von Vielfalt in Sprache zuerst auf ihre Fahnen geschrieben haben. Als JU-Mitglied spürt man fast eine natürliche Abneigung gegen alles, was aus der linken Ecke kommt. Ich kann das sehr gut verstehen, wenn es um den Austritt aus der NATO, die Abschaffung der Bundeswehr, die Verehrung von Homöopathie, die Besetzung von Wäldern oder das Verbot von Eigentum und Einfamilienhäusern geht. Aber dieser verbissene Kampf gegen vielfältige und inklusive Sprache, die uns als Partei attraktiver macht, ist einer Volkspartei nicht angemessen. Was geben wir nach innen und außen für ein Bild ab, wenn wir uns gegen gendersensible Sprache wehren und dieses Feld unseren politischen Mitbewerber:innen überlassen, weil wir es wider des konservativen Geistes einstufen? Die Verwendung des Doppelpunktes macht doch nun wirklich nicht aus, wer wir als Partei und Jugendorganisation sind. Man kann es übrigens auch mit einem urkonservativen Wert betrachten: Anstand und Respekt. Wir zeigen Anstand und Respekt, wenn wir die Menschen mitansprechen, die wir bisher nicht in unserer Sprache erfasst haben. Wir sind respektvoll, wenn wir die Menschen so ansprechen, wie sie sich selbst wahrnehmen. Es ist eine Frage des christdemokratischen Anstandes, auf marginalisierte Gruppen Rücksicht zu nehmen.

Warum verwenden wir also so viel Energie auf einen völlig absurden Abwehrkampf, wenn es doch so viele wichtige Themen anzupacken gilt? Die Wissenschaft zeigt uns, dass sprachliche Inklusion wirkt, die Öffentlichkeit macht es immer mehr zum Normalfall; warum das gespielte Rebellentum, liebe JUler:innen? Unser Land hat so viele Herausforderungen zu bestehen. Unsere Partei muss sich fit für die Zukunft machen und wir müssen Wahlkämpfe gewinnen, damit dieses Land weiterhin auf der Erfolgsspur bleibt! Ich freue mich über alle, die diesen Weg einer progressiven und inklusiven JU und CDU mitgehen wollen – aus den genannten Gründen, aber vor allem #wegenmorgen.