DEN WOLFSBESTAND ENDLICH REGULIEREN!

19.12.2019
Persönliche Meinung

Christian Poltrock von der JU Dithmarschen berichtet zur aktuellen Situation an der Westküste.

Wölfe an der Westküste Schleswig-Holsteins

In Dithmarschen sagt der Volksmund, dass man heute sehen könne, wer morgen zu Besuch käme. Natürlich ist auch dieser Spruch nicht ganz richtig, doch beschreibt er die schleswig-holsteinische Westküste mit den weiten flachen Marschlandschaften sehr gut. Vor der oft rauen Nordsee schützen die Einwohner der Küstengebiete in ganz Nordeuropa mit Gras bewachsene Deiche und vorgelagerte Flächen, doch diese müssen befestigt und der Bewuchs kurzgehalten werden. Diese Aufgabe übernehmen im Sommer allein in Schleswig-Holstein Tausende von Schafen, denn maschinell ist diese Aufgabe nicht zu lösen.

Im Winter allerdings müssen die Deichschäfer auf kleinteilige Flächen im Hinterland ausweichen und lassen ihre Tiere auf meist kleinen Grasflächen weiden und wechseln fast täglich die genutzte Wiese. So verstreuen sich die Schafe im Winter über ganz Schleswig-Holstein und sollen mit 1,20 hohen elektrisch betriebenen wolfssicheren Zäunen gesichert werden, damit bei trotzdem erfolgten Schafsrissen eine Entschädigung an den Schäfer gezahlt werden kann und bei mehrfacher Überwindung solcher Zäune ein sich angeblich nicht normal verhaltener Wolf entnommen werden kann.

In den vergangenen Wochen kam es nun in den geschilderten Rahmenbedingungen zu verschiedenen Vorfällen im Landkreis Dithmarschen. Rund um den Privatforst Christianslust sind in ca. 3 Wochen um die 50 Schafe getötet oder schwer verwundet worden. Die verwundeten Schafe mussten später durch den Tierarzt eingeschläfert oder durch ein Bolzenschussgerät getötet werden. Der oder vermutlich sogar die Wölfe im Gebiet (es wurden verschieden große Spuren in den betroffenen Feldern gesichtet) haben mehrfach wolfssichere Zäune überwunden, davon erkennt das Umweltministerium des Landes SH allerdings nur einen Fall an. In beiden anderen Fällen sind Kleinigkeiten für die Anderseinstufung genutzt worden. So ist an einem stürmischen Tag ein kleiner Ast von einem an die Weide angrenzenden Zaun abgebrochen und berührte den Zaun, sodass die Höhe um wenige cm zu niedrig für einen „wolfssicheren“ Zaun war und ein Teil der elektrischen Spannung abgeleitet wurde. Auch kleinere Furchen von Traktorenreifen können zur Nichtigkeit eines solchen Zaunes beitragen, ebenso wie im zweiten Fall der Ausbruch einer in Panik geratenen Herde, die von einem Wolf innerhalb des Geheges ausgelöst wurde.

Nachdem die Rissgutachter nun schon über Wochen täglich ausrücken mussten, war bei einem Fall vor wenigen Tagen keiner mehr bereit (trotz 24 stündiger Erreichbarkeit), auszurücken und einen neuen Fall zu untersuchen. Das Grün geführte Umweltministerium gab am Folgetag eine Pressemitteilung heraus, dass es zu Handgreiflichkeiten und Drohungen von Seiten der Bauern gegenüber den Rissgutachtern und Wolfsbetreuern kam. Diese Behauptung stellte sich bei der Kundgebung am 19.12. in Friedrichskoog als haltlos heraus, jedoch wollte der Minister die Pressemitteilung nicht zurücknehmen und fällt damit den Schäfern vollends in den Rücken.

Bei der besagten Demo mit 200-300 Teilnehmern drückten die Betroffenen ihren Unmut lauthals, aber friedlich, sehr klar aus. Ich habe an der Demo ebenfalls teilgenommen und bin enttäuscht bis wütend über unseren Umweltminister und kann nicht verstehen, wieso es kein ersichtliches Einlenken gibt. Die Fälle von nicht ordnungsgemäßer Zäunung kann man auch anders werten, wer weiß denn, wann der Ast fiel und nur weil ein Wolf auch über den Zaun zurückspringen muss, ist er nicht ungefährlicher, als wenn er eine Herde zum Überrennen des Zaunes bringt. Minister Albrecht verspielt durch sein Versteckspiel hinter angeblich konkurrierenden Gesetzen und Verordnungen das Vertrauen der Schäfer in die Politik! Die Betroffenen und zuständigen Abgeordneten versuchen mit allen Mitteln, die Dramatik in Kiel deutlich zu machen, aber es passiert nichts. Da kann man nur noch hoffen, dass Bund und EU endlich einlenken und die Gefahr des Wolfes für Weidehaltung, Waldkindergärten und Naherholung in Wäldern anerkennen. Einen Waldkindergarten haben wir hier vor Ort schon geschlossen; muss denn erst schlimmeres passieren, als dutzende gerissene und qualvoll verendete Tiere? Politik sollte, bevor Gefahren entstehen und Vorfälle passieren, handeln und nicht erst wenn es zu spät ist!

Unser Kreisvorsitzender der JU Steinburg, Marko Förster, hat dazu eine ganz klare Meinung und meint, dass das Problem weder in Dithmarschen noch in Kiel liege, sondern ganz klar in Berlin auszumachen sei. Eine Koexistenz mit dem Wolf in Deutschland ist wünschenswert und möglich, jedoch nur, wenn der Bestand drastisch reguliert wird.

Ich will, dass Wölfe dauerhaft in Deutschland leben. Deshalb müssen wir endlich ihren Bestand regulieren.

Erinnern Sie sich? Mitte der 90er Jahre gab es immer wieder mal vereinzelte Wolfssichtungen in Deutschland. Der NABU spricht davon, dass es seit dem Jahr 2000 wieder freilebende Wölfe in Deutschland gibt. Von der Lausitz aus breitete sich ein „Wolfskorridor“ östlich der Elbe entlang nach Norden aus. Ein Grund zur Freude – glaubt man grünen NGOs, Verbänden und Naturfreunden. Doch stimmt das?

Das Märchen, dass sich „die Natur erholt habe“ und sich nun endlich Wölfe wieder ansiedeln könnten, ist glatt gelogen. Canis Lupus, so sein lateinischer Name, ist das erfolgreichste Raubtier der nördlichen Hemisphäre. In den unwirtlichen Welten Grönlands, über Gebiete, in denen jahrzehntelang Kriege herrschten wie Afghanistan, bis hin zu den Vorstädten osteuropäischer Großstädte, wo sie sich äußerst gern über Mülltonnen hermachen, sind Wölfe zu Hause. Wölfe sind äußerst intelligente, effektive und anpassungsfähige Jäger, welche gerade in Rudeln gefährlich werden können.

Nun will ich nicht das Rotkäppchennarrativ bedienen, aber es ist doch auffällig, dass der Waldkindergarten in Christianslust gestern (18.12.19) wegen der Gefahr vor Wölfen geschlossen wurde und Spaziergänger angehalten wurden, das Gebiet zu meiden. Und die Angst kommt nicht von ungefähr. Eine Studie des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages gibt an, dass zwischen den Jahren 2000 und 2018 im Bereich Europa, Asien und Nordamerika (also dem natürlichen Verbreitungsraum des Wolfes) offiziell 362 Menschen von Wölfen angegriffen wurden. 31 von ihnen starben. Gut, könnte man meinen, im Straßenverkehr sterben mehr Menschen, also was heißt das schon? Aber denken wir mal an die Zeiten zurück, als es mehr Wölfe als Autos in Europa gab. Rotkäppchen, die sieben Geißlein oder auch die drei kleinen Schweinchen entstanden nicht ohne Grund in dieser Zeit. Das durch die aufkeimende Industrialisierung aufblühende Europa ächzte unter Wölfen. Der Historiker Richard J. Evans berichtet, dass bis Ende des 19. Jahrhunderts regelmäßig Menschen in Europa angegriffen wurden, allein in Russland fielen jährlich 200 Menschen den schlauen Raubtieren zum Opfer. Wölfe stellten eine regelrechte Landplage dar. Im 19. Jahrhundert wurde der Wolf „dank“ moderner Waffentechnik und verordneten Treibjagden in Europa nahezu ausgerottet. Nach dem Zweiten Weltkrieg bildete der „Eiserne Vorhang“ mit Stacheldraht, meterhohen Mauern, Selbstschussanlagen und Minen einen nahezu hermetischen „Wolfsabwehrwall“. In der ehemaligen DDR wurden zudem aus dem Osten ankommende Wölfe direkt erschossen, was das Jagdrecht so verlangte. Mit der friedlichen Revolution erlangte der Wolf in ganz Deutschland seinen heutigen Schutzstatus und ohne Stacheldraht und Mauern konnte sich das erfolgreiche Raubtier „endlich wieder“ gen Westen ausbreiten.

Dass Wölfe heute wieder durch Deutschland streifen, hat also wenig damit zu tun, dass Flüsse und Luft reiner sind als in den 80ern (was nebenbei ein Fakt ist), sondern dass einerseits schlicht der Eiserne Vorhang gefallen ist und sie einen Schutzstatus genießen, der, wenn man die Verbreitung weltweit betrachtet, unangemessen ist und dass sie sich andererseits rasch vermehren. Eine Wolfpopulation vermehrt sich Feldstudien zufolge um den Faktor 1,3, also jährlich um etwas über 30%, was einer mehr als Verdoppelung der Population alle drei Jahre entspricht.

Wenn wir aktuell von knapp 500 Wölfen allein in Brandenburg ausgehen (das sind mehr, als an Bestand in ganz Finnland zugelassen sind), kann man sich über einfachen Dreisatz herleiten, dass spätestens in drei Jahren allein dort mindestens 1.000 Wölfe leben werden. Was hat das für Auswirkungen auf die Menschen?

Man kann durch extrem aufwendige Verfahren, relativ gut Herdentiere vor Wölfen schützen. Eine Kombination aus hohen Stromzäunen, welche auch in den Boden eingegraben sind, vereinzelt kombiniert mit Herdenschutzhunden führen beispielsweise in besagtem Brandenburg dazu, dass die Risszahlen an Schafen im letzten Jahr gesunken sind, obwohl die Wolfspopulation dort gewachsen ist. Jedoch ist der beste Herdenschutz nur so gut, wie der des Nachbarn schlecht ist. Im Umkehrschluss stellt man nun in Brandenburg fest, dass die Kälber- und Kuhrisse im gleichen Zeitraum stark zugenommen haben. Wie eingangs erwähnt, ist der Wolf ein effektives und schlaues Raubtier. Schützen wir nun also die Schafe besser, sind die Rinder dran und so weiter, bis sie schließlich, wie in Rumänien, die Mülltonnen der Städte für sich entdecken.

Hinzu kommt für uns im echten Norden ein ganz anderes Problem. An den Deichen, wo viele Schafe stehen, sind solche Zäune und Herdenschutzhunde gar nicht zulässig. Diese Tiere greifen beispielsweise alles an, was sich der Herde nähert, also auch Haustiere und in letzter Konsequenz Menschen – ein echtes Sicherheitsrisiko. Hinzukommt der enorme Aufwand für unsere Schäfer, die die Schafzucht meist im Nebenerwerb betreiben und nach wenigen Tagen auf einer abzugrasenden Weide im Herbst, auf die nächste ziehen. Jedes Mal müssten kilometerlange Elektrozäune ausgegeben und wieder eingebuddelt werden, ein Aufwand, der kalkulatorisch und allein schon aus Muskelkraft bei vielen Familienbetrieben, kaum zu leisten ist.

Und selbst wenn wir das alles technisch und finanziell lösen können und die letzte Milchkuh und den letzten Holsteiner Hengst mit meterhohen Stromzäunen „wolfssicher“ eingezäunt haben, stellt sich uns doch ein ganz anderes Problem. Wir geben Millionen von Euros aus, um Ökosysteme mit Wildbrücken und anderen teuren Projekten zu verbinden. Mit diesen „Strommonstern“ zerschneiden wir unsere Ökosysteme komplett. Rehe, Hasen, Lurche und selbst Vögel verheddern sich darin und verenden qualvoll, was wir nebenbei bemerkt täglich auch am dänischen „Wildschweinzaun“, der abgerissen gehört, sehen müssen. Wollen wir das wirklich?

Ich will, dass Wölfe dauerhaft in Deutschland leben. Deshalb müssen wir endlich ihren Bestand regulieren. So wie es die meisten Länder, in denen Wölfe leben, auch tun. Im Baltikum werden beispielsweise jährlich etwa 300 Wölfe erschossen. Wir müssen klar festlegen, wie viele Tiere wir in Deutschland haben wollen und dies dann auch gezielt kontrollieren. Dafür muss die Bundesumweltministerin endlich „den günstigen Erhaltungszustand“ für den Wolf in Deutschland feststellen (ein äußerst schwammiger Begriff), dass die FFH-Richtlinie für ihn angepasst werden kann. Sodann ist das Jagdrecht zu ändern und schließlich müssen aktiv Wölfe entnommen, also geschossen, werden. Mit der heutigen Technik müsste dies noch besser möglich sein als im 19. Jahrhundert. Woran es in Deutschland mangelt, ist nicht die Technik, mit dem „Problem“ umzugehen, es ist einzig der Wille, der im zuständigen Ministerium bei Frau Schulze nicht da ist und sich bei den zahlreichen Wolfsfreunden in städtischen Milieus weiter Bahn bricht. Eben weil ich den Wolf in Deutschland behalten möchte und nicht wieder ausgerottet wissen will, wie anfangs erwähnt, brauchen wir ein echtes Wolfsmanagement und keine netten Gutachter, die bei Tierrissen rausfahren, Proben nehmen und diese teuer beproben lassen, um festzustellen, wer die Tiere getötet hat. Wir müssen unkomplizierter entschädigen, auch für Verlammung und Verletzungen von Tieren. Wir müssen mit dem Einzäunwahnsinn aufhören und wie gesagt, wir müssen endlich den Bestand regulieren. Alles andere führt ökonomisch für die Landwirtschaft, ökologisch für unsere Flora und Fauna und in letzter Konsequenz auch gesellschaftlich für unser aller Leben zu drastischen Einschnitten. Die geschlossene Waldkita in Christianslust im Kreis Dithmarschen ist da erst der Anfang.