DIE DIGITALE KLUFT – GRILLT DAS KONRAD-ADENAUER-HAUS

28.05.2019

Alexander Barbie von der JU Kiel kritisiert die Digitalpolitik der CDU Deutschlands.

Liebe JUler,
Liebe Frau Kramp-Karrenbauer,
Liebes Konrad-Adenauer-Haus,

innerhalb eines Jahres haben wir sowohl die Spitze in der CDU als auch der JU ausgetauscht und jünger gestaltet. Wer hätte gedacht, dass Angela Merkel mal als die geistig jüngste Politikerin in unserer Partei gilt?
Wir haben die Europawahl 2019 grandios vergeigt. Sinnlos und an vielen Stellen auch wirklich dumm. Zu Artikel 13 habe ich im letzten Beitrag
(http://jush-blog.de/2019/03/die-digitale-kluft-der-30-jaehrige-copyright-krieg/) geschrieben, dass die EU-Urheberrechtsreform zu nichts taugt und uns in den zwei jüngeren Generationen Y und Z massiv schadet. Vor allem aber, dass Artikel 13 technisch gar nicht umsetzbar ist. Hat Axel Voss, Elmar Brok, Reimer Böge und viele andere CDU-Abgeordnete wenig gestört, Danke dafür übrigens. Klar sind wir politisch unglaubwürdig in unserer Digitalpolitik und im Onlineauftritt. Wir konzentrieren uns nur auf Law and Order, aber verstehen dabei gar nicht, wie das Internet als dezentrales Netzwerk aufgebaut ist. Wir haben die falschen Ansätze, weil wir überall nur Gefahren sehen, sehen aber gar nicht, welche Möglichkeiten das Netz uns bietet. Horst Seehofer und auch andere werden niemals einen Masterkey bekommen, um alle Chats in Whatsapp oder anderen Messengern zu entschlüsseln. Selbst wenn der Staat selbst einen solchen Dienst aufbaut und verpflichtend einführt, dann wird jemand auf einem weniger legalen Weg einen extrem guten Ersatz, mit viel Schutz, verkaufen und richtig Geld damit machen. Wir haben ein Briefgeheimnis in der analogen Welt, wieso wollen wir in der digitalen Welt dann alles mitlesen können? Aber das will ich an dieser Stelle gar nicht zum Hauptthema machen. Das eigentlich Thema betrifft die Struktur in unserer Partei. Wie die Bundesspitze auf ein Video von einem YouTuber reagiert, ist einfach nur noch lächerlich und hart zu ertragen. Die “Zerstörung der CDU” entlarvt eigentlich nur unser großes Problem. Wir haben das letzte Jahrzehnt, bis auf Sharepics und Facebook Live, nichts gemacht, was erkennen lässt, dass wir eine Vision für eine digitale oder analoge Welt haben. Noch schlimmer, wir verstehen die Sprache im Internet gar nicht und wussten offenbar in der Parteizentrale auch nicht, wo die Jugendlichen zu finden sind. Kleiner Tipp: Als CDU/SPD/FDP/Grüne/AfD/Linke Facebook
als Medium entdeckten, waren die Jugendlichen schon längst weg. Das fängt übrigens in der Jungen Union an, denn sonst hätte jemand aus der Bundesspitze unserer CDU-Bundesvorsitzenden sagen können, dass “Zerstörung von…”-Videos gar nicht so selten sind und eher sowas bedeuten wie “Entlarven” und genau das ist dem YouTuber Rezo gelungen. Rezo hat gezeigt, wie weit wir mittlerweile von der Lebenswirklichkeit einer
jungen und mittleren Generation entfernt sind, vor allem auch wir als Mitglieder der Jungen Union. “Zerstörung von…”-Videos sind im angelsächsischen Raum keine Seltenheit, einfach mal “destroyes Politiker/Gruppe-XYZ..” bei Google eingeben
(https://www.youtube.com/watch?v=T7ibsdw85JI), dazu findet man unzählige Videos.
Zusammengefasst: Unsere Social Media-Abteilung im Konrad-Adenauer-Haus ist anscheinend ziemlich falsch besetzt.
Jetzt nach der Wahl machen wir den nächsten Fehler. YouTuber sind keine Journalisten, sie werden auch zu keinen Journalisten. YouTuber sind am ehesten mit Schauspielern und Z-Promis zu vergleichen. Viele werden sich noch wundern, wieviel Reichweite auch Pro-Gamer in unserer Gesellschaft noch bekommen werden. E-Sport-Turniere übertreffen heute die Zuschauerzahlen von Olympischen Spielen und das haben wir als CDU,
außerhalb von Schleswig-Holstein, noch gar nicht auf dem Schirm. Im Bundestagswahlkampf sammeln wir auch Promis und lassen die in der analogen Welt für die Partei werben, weil diese eine große Reichweite haben. Wieso nicht auch in der digitalen Welt? Nicht jeder, der YouTube nutzt, ist automatisch links, das Potential in der digitalen Welt ist für uns genau so groß wie in der analogen Welt. Wir haben das schlicht verschlafen
und fangen jetzt eine Diskussion über Meinungsfreiheit und Regeln für Online-Journalismus an. Da hat jemand einem breiten Publikum erklärt, wie unsere Politik auf die Menschen in Deutschland wirkt, nicht mehr und nicht weniger. Wenn Sophia Thomalla einem öffentlichen TV-Auftritt gemeinsam mit der Kanzlerin macht, dann hat das eine ähnliche Reichweite, aber halt bei den Menschen 50+. Auf so ein YouTube-Video kann man gelassen reagieren oder man schickt einen jugendlich wirkenden Politiker los, aber halt nicht Philipp Amthor im weißen Hemd und Jacket. Noch bekloppter ist ein elfseitiges PDF-Dokument, weil jemandem beim Videoschneiden aufgefallen ist, dass das ganze Dinge in die Hose geht.
Einmal mehr: richtig daneben! (Den eigentlichen Kommentar lass ich hier mal raus, siehe Punkt 3) im Folgenden)


Drei Dinge muss eigentlich jeder wissen, der Politik machen will:

1) Geheime Absprachen bleiben durch das Internet selten geheim (siehe Strache oder Trump-Untersuchungen) ,

2)
Informationen, Bilder und Videos verbreiten sich im Internet schneller als im Fernsehen oder
der Tageszeitung (siehe Rezo, Attacke in Christchurch etc.),

3) Das Internet vergisst nie!

Wir werden noch an vielen Stellen erleben, dass in Wahlkämpfen auch Videos aus der Jugend oder dem frühen Erwachsenenalter der entsprechenden Kandidaten auftauchen werden. Christian Lindners Videobeitrag im Bundestagswahlkampf 2017 ist noch nett dagegen gewesen. Entscheidend wird in Zukunft Integrität einer Person sein und weniger
der Machtwille. Machen wir also weiter Quatschpolitik und lassen uns von Flügelkämpfen in der Programatik weiter blockieren, dann gehen wir den Weg der SPD, einfach um zehn Jahre verschoben.
Deswegen: Redet endlich mit den Menschen, die sich mit dem Internet auskennen, in dem Bereich arbeiten und zur Wertschöpfung beitragen. Nicht mit denen, die davor Angst haben und mit technisch unmöglichen Regulierungen gegen Windmühlen kämpfen wollen! Wir wurden im Europawahlkampf von der Digitalisierung überrollt. Jetzt heißt es aufstehen, Ärmel hochkrempeln, Krönchen richten und die Digitalisierung ernst nehmen. Wir haben mit dem C-Netz eigentlich eine parteiinterne Vereinigung, die sich in weiten Teilen mit diesen Themen auskennt, aber ignorieren sie vollkommen. Mit der Performance aus dem Europawahlkampf brauchen Sie zumindest, liebe Frau Kramp-Karrenbauer, nicht für einen möglichen nächsten Bundestagswahlkampf antreten, auch wenn ich sie gerne als Nachfolgerin von Angela Merkel dort sehen würde.

Mit freundlichen Grüßen
Alexander Barbie
Kreisvorsitzender der JU Kiel
PS: Bevor sich jeder über den Titel aufregt, Roast of XYZ ist in der Comedy Szene gar nicht so unüblich (siehe Roast of Charlie Sheen https://www.youtube.com/watch?v=cEQPqlcF6l4)