DIE US-WAHL UND DIE DEMOKRATIE

16.11.2016
Persönliche Meinung

von Niklas Schwab, Beisitzer im JU KV Stormarn

Nach der Präsidentenwahl in der Nacht vom 08.11. auf den 09.11.2016 in den USA wurde und wird viel über die Demokratie und die Wahl geschrieben. Zum einen wurde viel darüber berichtet, wie so ein Wahlergebnis in der Wiege der Demokratie (gemeint ist die USA) zustande kommen konnte. Wobei dies schon direkt ein Fehler ist, denn viele Leute wissen anscheinend nicht, woher die Demokratie tatsächlich kommt. Dabei sollte jeder, der sich zur Demokratie äußert, eine gewisse Grundkenntnis besitzen, da die Wiege der Demokratie in Griechenland liegt. Dort wurde die Herrschaft durch das Volk erfunden, auch wenn es damals noch eingeschränkter war. Sehr interessant ist zu beobachten, wie die Präsidentenwahl in den USA kritisiert wird, vor allem auch in den deutschen Medien. Hierin kann man eher einen gewissen Verlust der Demokratie beobachten, denn zu einer Demokratie gehört auch eine möglichst objektive Berichterstattung. So schrieb das Handelsblatt z.B. in seiner speziellen Berichterstattung zur US-Wahl: „Rückt die erste Frau an die Spitze der Weltmacht USA oder ein unberechenbarer Egomane?“. Ich möchte Donald Trump überhaupt nicht in Schutz nehmen, doch widerspricht so eine deutliche Wertung meinem persönlichen Verständnis von einer objektiven Berichterstattung. Bei privaten Medien mag man es hinnehmen, doch auch im öffentlich-rechtliche Fernsehen war eine Tendenz zu erleben, was meines Erachtens dem Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten widerspricht. Dieser lautet: Gewährleistung einer unabhängigen „Grundversorgung“ mit Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung. Die doch sehr tendenziöse Wahlberichterstattung zog sich bis zur Wahlnacht auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hin. Gleich auf mehreren Sendern berichtete das öffentlich-rechtliche Fernsehen über die Wahlnacht, wobei mehrere Moderatoren nicht gerade mit Seriosität und Neutralität überzeugten. Natürlich darf jeder seine eigenen Präferenzen haben, jedoch muss im Journalismus eine professionelle Neutralität gewahrt werden und nicht eine  einseitige Berichterstattung zu Gunsten der eigenen Einstellung oder einer subjektiven Mehrheit stattfinden. Dies wurde selbst von einigen bekannten Journalisten kritisiert, zu den Kritikern zählt z.B. der US-amerikanische Journalist Prof. Jeff Jarvis, welcher an der Graduate School of Journalism an der City University of New York lehrt. Er kritisiert, dass sich viele Medien in den USA für Hillary Clinton ausgesprochen hatten und dies auch in der Berichterstattung deutlich wurde. Ein weiterer Kritiker, der die deutschen Medien tadelt, ist der Hauptstadtkorrespondent Dieter Wonka, sein Fazit zur US-Wahl lautet: „Unsere Medien haben eine erbärmliche Rolle abgegeben.“ Die auf die Wahl folgende Berichterstattung machte das mangelnde Verständnis für die Demokratie und andere Standpunkte deutlich, wie wir sie auch schon bei anderen Wahlen gesehen haben, da wurden Aussagen getätigt wie, „Es sind doch alles Idioten…“, „Die Amis haben schon lange keinen Verstand mehr.“, etc. Was sicherlich viele dabei verdrängen ist, dass, wenn die Wahl anders ausgegangen wäre, sie wahrscheinlich das Gegenteil behauptet hätten. Aber Demokratie funktioniert nur so, dass man auch mit anderen Standpunkten und Überzeugungen, die nicht den eigenen entsprechen, umzugehen vermag. Allerdings fällt auf, dass gerade diejenigen, welche sich als „Demokraten“ bezeichnen, das größte Problem mit Wahlen haben. Was an den – vor allen jungen – Leuten deutlich wird, die in Washington D.C. vor dem Weißen Haus demonstrieren, weil ihnen das Wahlergebnis nicht gefällt. Doch auch wenn es viele von der Millennium-Generation (Generation Y) nicht mehr gewohnt sind – es gibt nicht nur Siege im Leben, manchmal verliert man auch.

Wenn man sich die letzten Wahlen in Europa anschaut, ist dies jedoch kein neues Phänomen. Die Problematik mit Wahlniederlagen umzugehen, begann sicherlich schon früher, aber erstmals deutlich wurde sie bei der Entscheidung über den Austritt Großbritanniens aus der EU. Anschließend berichteten viele Medien über das Ergebnis und kritisierten die knappe Entscheidung – doch das ist Demokratie. Wenig Mitleid muss man da, wie es unsere Medien oft emotional propagierten, mit den jungen Leuten in Großbritannien haben, die ihr Wahlrecht nicht genutzt haben. Wer sich in einer Demokratie noch nicht einmal an der Grundlage – der Wahl – beteiligt, muss sich anschließend nicht über das Ergebnis beschweren. Zudem sind auch knappe demokratische Entscheidungen demokratisch legitimiert und die Leute und Institutionen, die diese kritisieren, weil es nicht deutlich genug war, haben es nicht weit mit ihrem Demokratieverständnis. Selbstverständlich soll man sich mit Themen kritisch auseinandersetzen, doch merkt man bei uns mittlerweile eine Neigung dazu, andere Auffassungen abzuwerten und eine Auseinandersetzung mit gegenteiligen Meinungen gänzlich zu verweigern. Doch gerade die Auseinandersetzung und der Diskurs ist für eine Demokratie wichtig und lebensnotwendig, dabei darf aber eine konträre Meinung nicht mundtot gemacht werden, indem man sie denunziert. Ein weiteres Problem mit dem Demokratieverständnis in unserem Land und vor allem in unserer Politik zeigen die vergangenen Landtagswahlen in Deutschland, bei denen alle Stimmen, die gegen eine alternative Partei waren, kumuliert wurden und dann Aussagen getroffen wurden wie: Alle Gegenstimmen gegen die alternative Partei seien Stimmen für den Kurs der Regierung. Dies zeichnet ein sehr merkwürdiges Demokratieverständnis vieler „Demokraten“. Gewiss kann man manchen Parteien kritisch gegenüberstehen, wer aber als Reaktion in ein Blockparteien-Muster verfällt, der muss sich nicht über eine zunehmende Politikverdrossenheit bzw. ein Elitedenken wundern. Sicherlich hat man seine persönlichen Präferenzen und kann sich manche Kandidaten weniger vorstellen, doch gerade in anderen Ländern ist es nicht unsere Entscheidung und man muss auch mit Entscheidungen gegen die eigene Auffassung zurecht kommen. Auch wenn man durch die Berichterstattung in den deutschen Medien bei der vergangenen US-Präsidentenwahl denken konnte, dass die deutsche Bevölkerung aufgerufen sei zu wählen, ist es nicht unsere Entscheidung. Andere Länder werden die für sich bestmögliche Regierung wählen und nicht was einem in Deutschland am besten passt. Was wir übrigens genau so machen würden/sollten. Daher würde ein bisschen weniger Arroganz den deutschen Medien und manch einer in der Öffentlichkeit stehenden Person über demokratische Entscheidungen in anderen Ländern gut tun. In eine ähnliche Richtung geht auch Dieter Wonka, der die Rede am 09.11.2016 von Frau Merkel kritisierte, in der sie den neuen US-Präsidenten zur Achtung der westlichen Werte mahnte. Er erklärte dazu, dass bisher immer die US-Präsidenten die Spielregeln vorgegeben haben und es sich nun auch nicht ändern wird. Dazu verweist er in Anbetracht der nächsten Bundestagswahl darauf, dass Deutschland einen seriösen politischen Streit benötige, um wieder Unterschiede zwischen den Parteien hervorzuheben. Dieser Aussage, dass wir einen seriösen politischen Streit benötigen, damit wieder eine inhaltliche Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen geschieht und eine Abgrenzung der Parteien untereinander gelingt, kann ich mich uneingeschränkt anschließen. Worüber ich mich allerdings freuen würde, wäre, wenn über die nächste Bundestagswahl in Deutschland ebenso ausführlich berichtet werden würde, wie über die US-Wahl. Hoffentlich gibt es dann auch konträre Meinungen mit denen wir uns argumentativ und inhaltlich auseinandersetzen können. Um allerdings die Pessimisten zu beruhigen, sollte man es vielleicht einmal mit der alten deutschen Weisheit versuchen: „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“