GUT, DASS GABRIEL NICHT FÜR DIE MANNSCHAFT SPIELT

19.08.2016
Persönliche Meinung

von Marko Förster, Kreisvorsitzender der Jungen Union Steinburg

Der Mittelfinger ist eines der wohl unsinnigsten Körperteile des Menschen. Man kann mit ihm nicht wirklich etwas zeigen. Einen Ring steckt man ihm in aller Regel auch nicht an und für die typische Heavy Metalgeste, die Mano Cornuta, bräuchte man ihn auch nicht wirklich, da er vom Daumen nahezu überdeckt wird, wie ich dieses Jahr eindrucksvoll in Wacken erleben durfte. In meinem Hobby als Fußballschiedsrichter eignet er sich einzig sehr gut dazu, den Ring der Pfeife daran zu befestigen. In unserer Kultur stellt der ausgestreckte Zeigefinger hingegen eine beleidigende Geste dar und ist sehr verpönt – außer in Wahlkämpfen der Sozialdemokraten. Hier wird gern mal der Mittelfinger inszeniert. Eine Art „seht mich an, liebe Jugend, ich bin einer von euch“ soll vielleicht damit zelebriert werden. Derb und unverhohlen haben wir so schon einige sozialdemokratische Mittelfinger in den Medien unsere Republik gesehen.

Nun wurde unser Vizekanzler Sigmar Gabriel in Salzgitter auf infamste Weise von Vermummten beschimpft. Und ein weiterer sozialdemokratischer Mittelfinger reiht sich in die Galerie der großen öffentlichen Mittelfinger ein. Die Debatte um diesen Fauxpas geht von „Wie kann er nur?“, über „Der ist auch nur ein Mensch.“, bis hin zu „Sehr gut, den Nazis hat er es aber gezeigt.“ Und irgendwo dazwischen liegt wohl, wie so oft, die Wahrheit.

Was mich an der ganzen Debatte stört, sind die Möchtegern-Juristen, die erklären, dass der „Beleidigungsparagpraph“ (gemeint ist hier § 185 StGB) reformiert gehöre, dass Gabriel ja mit seiner Geste lediglich eine Gegenbeleidigung inszeniert habe und deshalb daran gar nichts verwerflich sei und so weiter. Ich bin kein Jurist und darum überlasse ich eine rechtliche Bewertung der Causa auch anderen Leuten, zumal Herr Gabriel als Abgeordneter ja Immunität genießt.

Ich bin aber Familienvater und wenn irgendwann die Klassenlehrerin meines Kindes vor meiner Haustür stehen sollte und mir erklärt, dass mein Sohn ihr den Mittelfinger gezeigt habe, weil sie seine Hausaufgaben sehen wollte, würde ich, glaube ich, nicht mit ihr darüber debattieren, ob § 185 StGB geändert werden sollte oder nicht. Auch in meiner Funktion als Schiedsrichter ist es meine Pflicht, jeden Spieler des Feldes zu verweisen, der einem anderen, egal ob Spieler, Zuschauer oder gar Schiedsrichter, diesen Finger ausstreckt. Genauso würde ich nie auf die Idee kommen, einem Spieler der mich beleidigt, mit einer „Gegenbeleidigung“, beispielsweise dem Zeigen des Mittelfingers, zu begegnen. Das hätte wohl auch verehrende Konsequenzen für meine „Karriere“ in der Kreisliga.

Die Beispiele zeigen, dass wir als Eltern, Ehrenämtler und eben auch Vizekanzler Vorbilder sind. Wenn wir den Schritt noch weitergehen und mit Kants kategorischem Imperativ argumentieren, trägt jeder von uns doch irgendwo eine gewisse Verantwortung dafür, wie wir miteinander umgehen.

Gut, meinen jetzt wieder einige, das waren aber auch Nazis. Von daher gehe es doch schließlich in Ordnung. Diese Menschen haben Recht: Nazis sind doof. In unserer Gesellschaft wurde in den letzten Jahrzehnten ein Feindbild konstruiert, das Nazis jegliche Rechte abspricht. Es ist ein Kampf Gut gegen Böse oder vereinfachter gesagt: Alle gegen Nazis. Sie gelten als eine Art „Superschurke“ oder „Endgegner“, den es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. Und wenn man erstmal das Prädikat „Nazi“ erhalten hat, gilt man schnell als vogelfrei. Studentenverbindungen können davon ein Lied singen, denn alle sind angeblich Nazis. Versteht mich nicht falsch, ich kann Nazis auch nicht ab. Als ich damals in meiner Jugend im Osten von ein paar Nazis zusammengeschlagen wurde, weil ich Dreadlocks hatte, hätte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, ob auch diese Spinner Menschen sind.

Aber sollten wir, die Intelligenteren, die Guten, die Nichtnazis als Verteidiger unser Werte und unserer geliebten freiheitlichen demokratischen Grundordnung, dann nicht wenigstens diese armen Kreaturen als Menschen anerkennen? Predigen wir nicht stets davon, dass alle Menschen gleich sind? (Was auch vorbehaltlos so ist!) Wollen wir nicht gerade Herrn Erdogan erklären, wie man mit Andersdenkenden umgeht?

Was für ein Zeichen sendet Sigmar Gabriel in die Welt, wenn ein kleiner Haufen Nazis es schafft, ihn so aus der Reserve zu locken, dass er sich zu so einer Geste hinreißen lässt? Ich stelle mir grad vor, Siggi wäre nicht Vizekanzler, sondern Vizenationalmannschaftskapitän. Er hätte wohl nie wieder ein Spiel für Deutschland gemacht. Die Standpauke von Jogi hat  jeder direkt im Ohr, glaube ich. Dieser Finger gehört nicht in die Öffentlichkeit, auch nicht, wenn man provoziert wird und das sogar von Nazis. Wir brauchen Argumente gegen rechts, keine adoleszenten Gesten.

Demokratie muss Nazis aushalten, so wie wir die ständigen Eskapaden des Siggi Gabriels aushalten müssen!