UKRAINE – MOMENTAUFNAHME

19.02.2015
Persönliche Meinung

Von Björn Schreiber, Vorsitzender der Kommission Europa-, Außen- und Sicherheitspolitik der JUSH

„ES GIBT KEINEN WEG ZUM FRIEDEN, DENN DER FRIEDEN IST DER WEG.“ MAHATMA GANDHI

MOLYMPUS DIGITAL CAMERAit diesem wohl eher sehr optimistischen Zitat eines der größten Freiheitskämpfers der Geschichte möchte ich heute den Beitrag seitens der Kommission „Europa-, Außen- und Sicherheitspolitik“ einleiten und gleich zugeben, dass ich – so sehr mir aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen Frieden am Herzen liegt – dieses Zitat angesichts der heutigen Sicherheitslage nur schwer von der Hand gegangen ist: Wer will noch mit bestialischen Schlächtern friedlich verhandeln, die wieder einmal 21 „Ungläubige“ im Namen des angeblich einzig wahren Gottes enthauptet haben? Anders gefragt: Kann man mit diesen Menschen (ja, das sind sie nach wie vor!) überhaupt verhandeln?

In unserer heutigen Zeit ist die Illusion des Weltfriedens so fern, wie sie nur sein kann: In der Ukraine-Krise ist trotz des beeindruckenden Verhandlungserfolgs der Waffenabzug nun immer noch nicht gestartet (hier ein Link zu Focus Online), Ägypten hat sich im Kampf gegen den IS eingeschaltet (Link zu Spiegel Online) und auch hier in Deutschland bekommen wir Auswirkungen der Bedrohung seitens islamistischer Bewegungen mit, wenn in Braunschweig ein ganzer Karnevalsumzug abgesagt wird (Link zum NDR) oder in anderen Städten aus Angst vor terroristischen Anschlägen Umzugswagen umgestaltet werden.

Aus diesem Grund habe ich mich auch sehr schwer getan, diesen Blogbeitrag nun letztlich zu formulieren: Mehrere Anläufe wurden gestartet, die „Beständigkeit des Wandels“ (frei nach Heraklit von Ephesus) hat mich jedoch jedes Mal gezwungen, ganze Beiträge der Aktualität geschuldet anzupassen, ganz zu verwerfen und neu anzufangen. Auch dieser Beitrag läuft Gefahr, dass er nach Veröffentlichung schon wieder überholt ist. Aber: Sei es drum! Die aktuelle politische Lage ist es wert, kommentiert zu werden und so einen Einblick zu geben. Um zumindest etwas dauerhafter wirken zu können, habe ich mich daher entschlossen, die Verhandlungserfolge bei der Friedenskonferenz in Minsk zu bewerten, da diese zumindest festgeschrieben sind und nur die Ausführungen / Realisierungen diese konterkarieren können.

Ukraine-Krise: Das Abkommen „MINSK II“ – Resignation, nein danke!

In diesem von mir ausgewählten Fall kann ich dann doch guten Gewissens das Zitat von Mahatma Gandhi anführen: Ist die Lage auch noch so verzwickt, lohnt es sich bis zum letzten Augenblick, den friedlichen Weg der Diplomatie und Verhandlung zu beschreiten. Carl von Clausewitz, der große preußische Kriegsphilosoph, drückte es in seinem Werk „Vom Kriege“ sehr treffend aus, als er den Krieg als Ultima Ratio der Politik bezeichnete:

„Der Krieg ist nichts als eine Fortsetzung des politischen Verkehrs mit Einmischung anderer Mittel, um damit zugleich zu behaupten, dass dieser politische Verkehr durch den Krieg selbst nicht aufhört, nicht in etwas anderes verwandelt wird, sondern dass er in seinem Wesen fortbesteht, wie auch die Mittel gestaltet sein mögen, deren er sich bedient.“

Wirkte es bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2015 noch so, als ob alles auf „verhärtete Fronten“ zwischen „dem Westen“ und Russland herauslief, so trauten sich die Staatschefs und andere hohe Spitzenvertreter trotz allem, sich noch einmal gemeinsam an einen Tisch zu setzen, um für den Frieden zu verhandeln. Vorneweg unsere Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und unser Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier, die sich gemeinsam mit Frankreich dafür eingesetzt haben, dass es zu einem neuen Abkommen von Minsk kam (trotz Kritik an der Wissenschaftlichkeit kann ich hier guten Gewissens auf Wikipedia verweisen: Link Minsk II).

Mit diesen neuen Friedensverhandlungen haben sich gerade Frankreich und Deutschland in einer vorbildlichen Art und Weise besonnen gezeigt und nochmal alle Energie konzentriert, um den Frieden in der Ukraine zu bewahren bzw. wiederherzustellen. Nicht zu Unrecht haben Frankreichs Präsident Hollande und „Mutti“ sich dafür Lob und Respekt nicht nur seitens der Weltgemeinschaft, sondern auch von führenden Vertretern deutscher Parteien (u.a. auch Gregor Gysi!) verdient, da beide ihre gesamte Reputation aufgewandt haben, um Europa als friedenspolitischen Akteur zu positionieren: „Gabriel äußerte seinen Respekt, dass Merkel und Hollande ihre Initiative trotz ungewisser Erfolgsaussichten „ohne Netz und doppelten Boden“ auf den Weg gebracht hätten, nachdem sich die Lage in der Ostukraine weiter zugespitzt hatte.“ (Quelle)

Ungewisse Zukunft: Hält Minsk II? Wie geht es weiter?

Die Berichte aus der Ukraine lassen jedoch berechtigte Zweifel zu, dass eine tatsächliche Entspannung im Osten der Ukraine aufkommen wird: Das ukrainische Militär weigert sich, schweres Gerät abzuziehen, und beruft sich dabei auf die selbige Weigerung seitens der Rebellen. Das ist das schwerwiegende Problem des auch in der Friedensforschung gern angeführten „Nullsummenspiels“ aus der Spieltheorie (eine „kurze“ Einführung ist hier zu finden – interessant wird es ab Folie 24 für meinen Fall hier), wenn es um Abrüstung geht:
Wer geht den ersten Schritt? Wer zuckt zuerst und gibt damit seinen „Vorteil“ auf? Was, wenn man der erste ist, der abzieht und der Gegner nutzt diesen Umstand dann zum Raumgewinn?

Genau da kommen die internationalen Organisationen ins Spiel, die bereits Erfahrung mit Beobachtermissionen im Rahmen von Waffenstillstandsabkommen haben: Die UNO ist dort sicherlich die bekannteste Organisation, wenn es um PeaceKeeping geht. Aber auch die OSZE ist nicht nur in Wahlbeobachtung erfahren, sondern hat ebenfalls Militärbeobachtungsexpertise, um Waffenstillstandsabkommen etc. zu überwachen. Eine sehr prägnante, wenngleich oberflächliche, Zusammenfassung über Militärbeobachter findet sich ebenfalls bei Wikipedia: Link Militärbeobachter.

Auch wenn es für viele überraschend kam, so kann ich mich mit dem durch die Russische Föderation eingebrachten Vorschlag zu einer UN-Resolution durch den UN-Sicherheitsrat zur Ukraine anfreunden, wie es auch Bundesaußenminister Steinmeier kommuniziert (Bericht auf FAZ.net). Wichtig ist nun, dass die Veto-Mächte nicht von vornherein in eine Blockade-Haltung verfallen, sondern sich mit offenem Visier an einen Tisch setzen, Formulierungen verhandeln und Minsk II dann auch mit der zu beschließenden Resolution zu untermauern. Aus dem FAZ-Bericht übernehme ich gerne das Zitat unseres Außenministers:

Steinmeier sagte dazu: „Es wäre jetzt wichtig, nicht den Streit über Texte in den Vordergrund zu stellen, sondern zu signalisieren, dass die Völkergemeinschaft hinter dem Bemühen steht, endlich Ruhe eintreten zu lassen.“

Abschließend bleibt mir nur festzustellen und sicherlich auch etwas mutig zu prognostizieren, dass die Ukraine-Krise uns im Jahr 2015 weiterhin begleiten wird. Es würde mich nicht wundern, wenn es in diesem Jahr noch zu einem Beschluss für eine wie auch immer geartete PeaceKeeping-Mission in der Ukraine kommen wird. Mein persönlicher Tipp: Diese wird unter dem hellblauen Helm der UNO stattfinden und nach den Sezessionskonflikten in Afrika die erste Blauhelm-Mission im 21. Jahrhundert werden, die an der europäischen Grenze beschlossen wird. Dabei wird in meinen Augen unseren und den französischen Spitzenpolitikern eine besondere Rolle zukommen bei der Vermittlung zwischen allen Positionen. Ob und in welcher Form sich die Bundesrepublik an einer dann zu gestaltenden Mission beteiligen wird, schließe ich ebenfalls nicht aus: Sowohl bei UNAMA, UNMISS, UNAMID, UNOMIG, UNIFIL und anderen UN-Friedensmissionen hat deutsches Personal (zivil wie militärisch) gezeigt, dass auf unsere PeaceKeeper Verlass ist. Zudem würde dieses zur Aussage unserer Bundesverteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen passen, als sie sich in New York über ein stärkeres deutsches Engagement bei UN-Friedensmissionen unterhielt (Quelle).