Wir können nicht jedes Problem durch Abschiebungen lösen

02.11.2023
Persönliche Meinung

Blogbeitrag von Leon Lienau, Kreisvorsitzender der JU Pinneberg 

Wir können nicht jedes Problem durch Abschiebungen lösen
Wie wir deutschem Antisemitismus begegnen müssen.

Am 07.10.2023 hat die Terrormiliz Hamas in einem beispiellosen Angriff innerhalb eines Tages rund 1400 Israelis getötet. Frauen. Männer. Kinder. Sogar vor wehrlosen Säuglingen machten sie nicht halt. Am 07.10.2023 hat die Hamas erneut gezeigt, was ihr Ziel ist: Die vollständige Zerstörung Israels, die komplette Auslöschung jüdischen Lebens. So hat die Hamas nicht nur am 07.10.2023 mehr Jüdinnen und Juden an einem Tag getötet, als es seit der Shoa jemals wieder passiert ist, sondern auch zu weltweiten Pogromen gegen Jüdinnen und Juden aufgerufen.78 Jahre nach dem Ende des Nazi-Regimes wird wieder zu Pogromen gegen Jüdinnen und Juden aufgerufen. Und was passiert in Deutschland?

Im Schutz der Hauptstadt werden neben Glücksgebeten und Jubelschreien von Unterstützerinnen und Unterstützern der Hamas Süßigkeiten zur Feier des Angriffes der Hamas verteilt.Es werden Demonstrationen organisiert, die für Solidarität mit Palästina werben - von einem Bedauern gegenüber der Opfer auf Israelischer Seite hört man auf diesen nichts.

Im Schutz der öffentlichen Netzwerke werden Hashtags wie #freepalestine oder Sprüche wie „From the river to the sea: Palestine will be free“ verbreitet. Menschen, die ihr ganzes Leben die Privilegien eines demokratischen Rechtsstaates genießen, werden plötzlich zu Terror-Unterstützern.
       
Dies alles passiert nicht in irgendeinem Staat, sondern in der Bundesrepublik Deutschland, die sich vor 78 Jahren geschworen hat, jüdisches Leben zu schützen. Es passiert in einem Staat, dessen Staatsräson der Schutz und die Sicherheit Israels ist. Umso erschütternder ist es, wenn wir feststellen müssen, dass in Deutschland ein erheblicher Teil der Bevölkerung nicht nur diese deutschen Werte nicht teilt, sondern diametral gegen diese steht.

Was sind das für Menschen, die unsere jüdischen Gemeinden in Deutschland in Angst und Schrecken versetzen? Was sind das für Menschen, wegen denen sich meine Familienmitglieder nicht mehr trauen, ihren Davidstern offen zu tragen?
                   
Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, Muslime unter Generalverdacht zu stellen. Studien zeigen, dass Muslime in Deutschland zwar öfter antisemitisches Gedankengut teilen, als Menschen ohne Migrationshintergrund. Diesen Zustand aber auf ihre Religion zu reduzieren, ist genauso gefährlich, wie der Antisemitismus selbst es ist. Vielmehr ist die Sozialisierung der Menschen häufig das Problem. So sind beispielsweise Christen im Libanon statistisch gesehen häufiger antisemitisch, als Muslime in Bosnien und Herzegowina. (https://global100.adl.org/map/).

Erschreckend hoch sind die Zustimmungswerte für antisemitische Aussagen besonders bei Menschen mit Migrationshintergrund, die aus der Türkei kommen. Bei einer Studie des Sachverständigenrates für Integration und Migration aus dem Jahr 2022 (https://www.stiftung-mercator.de/content/uploads/2022/10/SVR-Studie- 2022-2__Antimuslimische-und-antisemitische-Einstellungen.pdf) stimmten mehr als die Hälfte der türkischstämmigen Befragten der Aussage „Juden haben auf der Welt zu viel Einfluss“ zu. Ebenso mehr als die Hälfte der türkischstämmigen Befragten stimmte der Aussage: „Bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat“ zu.

In der aktuellen Debatte wird ein Fokus auf die Abschiebung von antisemitischen ausländischen Staatsbürgern mit Aufenthaltsrecht in Deutschland gelegt. Für mich ist klar, dass diese Menschen nichts in Deutschland verloren haben. Wir dürfen uns aber nicht der Illusion hingeben, dass wir durch solche Abschiebungen unsere Problem mit dem aufflammenden Antisemitismus in Deutschland gelöst bekommen.
       
Antisemitische Menschen mit Migrationshintergrund, die nur eine deutsche Staatsbürgerschaft haben, können wir nicht abschieben. Wir müssen uns daher als Staat noch viel stärker darum kümmern, dass wir Menschen mit Migrationshintergrund unsere im Grundgesetz normierten Werte beibringen. Wir müssen uns für eine bessere, gelingende Integration stark machen - auch bei Menschen, deren Familien bereits in zweiter oder sogar dritter Generation hier in Deutschland leben. Wir müssen uns darum kümmern, dass in türkischstämmigen Haushalten um 20:00 Uhr die Tagesschau läuft und kein türkischer Nachrichtensender.
                   
Der aktuelle Antisemitismus kommt jedoch nicht nur von Menschen mit Migrationshintergrund. Den größten Anteil an antisemitische Straftaten in Deutschland tragen immer noch Rechtsradikale. Dieser zeigt sich gerade vielleicht nicht durch Demos für Palästina, sondern vor allem durch die ohrenbetäubende Stille. Die AfD Schleswig-Holstein beispielsweise hat keine einzige Bekundung zu Israel abgegeben. Kein Instagram-Post. Kein Statement. Indessen bemängelt die Junge Alternative Baden-Würtenberg, dass sich die Junge Union zu Israel bekennt. Die AfD bekenne sich hingegen nur zu Deutschland. Aber auch aus dem linken Spektrum nehme ich in den letzten Tagen immer mehr antisemitische Äußerungen wahr. Das beste Beispiel hierfür ist Fridays For Future: Die Organisation, die sich eigentlich für eine Bekämpfung des Klimawandels einsetzt, bedient auf einmal antisemitische Ressentiments.

Es zeigt sich immer mehr die gefährliche Unterlaufung der Organisation durch Antifa & co. Es zeigt sich immer mehr, dass sich FFF von einer anfänglich vielleicht noch sinnvollen Klimabewegung, zu einem tatsächlichen Problem entwickelt. How dare you Greta Thunberg! Wenigstens Luisa Neubauer hat nochmal bekräftigt, dass sie zu Israel steht und den Hamas-Terror verurteilt. In einem Instagram Post auf der offiziellen Instagram-Seite von Fridays For Future Deutschland heißt es: „Nein, der internationale Account spricht, wie zuvor betont, nicht für uns. Nein, der Post war nicht mit uns abgestimmt. Nein, wir stimmen nicht mit den Inhalten überein“. Doch das ist zu wenig! Wo ist der Post in dem steht: „Ja, wir sind solidarisch mit Israel. Ja, wir unterstützen keinen Hamas-Terror. Ja, wir stehen gegen jeden Antisemitismus“. Es ist schon bezeichnend, dass nur Luisa Neubauer sich klar an die Seite Israels stellt und vom offiziellen Account kein so klares Statement kommt – vielleicht liegt das aber auch daran, dass ein gewisser Teil der Mitglieder die Aussagen von Luisa Neubauer nicht teilt.
   
Es zeigt sich also, dass der Antisemitismus aus allen Ecken kommt – es kann nicht darum gehen einzelne antisemitische Gruppen gegeneinander auszuspielen. Wir müssen dies als ganzheitliches Problem behandeln.
Außerdem muss ein jeder von uns zeigen, dass wir an der Seite Israels und an der Seite der Jüdinnen und Juden stehen. Ein jeder von uns muss zeigen, dass wir anders sind als die antisemitischen Hetzer. Wir müssen laut sein. Wir müssen es schaffen, dass sich Jüdinnen und Juden wieder sicher fühlen, dass sie wieder ohne Angst den Davidstern offen auf deutschen Straßen tragen können.
                   
Auf dem Deutschlandtag in Braunschweig haben wir als Junge Union gezeigt, dass wir anders sind, wir haben gezeigt, dass wir laut sind. In der Jungen Union ist und war immer klar, dass wir an der Seite Israels stehen. In der Jungen Union gehen wir auch auf die Straße - im Gegensatz zu „From the river to the sea: Palestine will be free“ rufen wir aber zu Solidarität mit Israel auf. Im Gegensatz zu #freepalestine schreiben wir in den sozialen Netzwerken #westandwithisrael. Keine andere politische Jugendorganisation steht so klar zu den Werten, die unsere Bundesrepublik und das gute Zusammenleben in unserem Land ausmacht und verteidigt sie mit dieser angemessenen Härte. Darauf bin ich sehr stolz.