VORRATSDATENSPEICHERUNG

10.11.2015
Persönliche Meinung

Von Birte Glißmann, Stellvertretende Landesvorsitzende der JU SH

Liebe Kritiker der Vorratsdatenspeicherung,

bei der Polizei wird an allen Ecken und Kanten gespart. Gerade aufgrund aktueller Entwicklungen wird dieser Sparkurs besonders deutlich und wirkt sich extrem auf die Arbeit der Polizei aus.
Unstrittig ist aber, dass die Arbeit der Polizei weiterhin so effektiv und erfolgreich wie möglich erfolgen soll.

Betrachtet man allerdings nicht nur die ohnehin mangelnde Personalstärke, versuchen so genannte „Netzkritiker“ der Polizeiarbeit weitere Steine in den Weg zu legen.
So berge die kürzlich verabschiedete Vorratsdatenspeicherung tückische Gefahren für jeden Einzelnen durch die vermeintliche Möglichkeit, Personenprofile zu erstellen, und einen erheblichen Eingriff in die persönliche Freiheit der Bürger.

Betrachtet man einmal die Fakten: die Vorratsdatenspeicherung verpflichtet die Telekommunikationsanbieter zur Speicherung der Verbindungsdaten für eine Dauer von vier bzw. zehn Wochen. Gespeichert wird also lediglich, wer wann mit wem telefoniert hat. Inhalte der Gespräche und Mitteilungen werden nicht gespeichert. Und speichern tut auch nicht der Staat, er greift lediglich bei Bedarf auf die Daten zurück. Ein Überwachungsstaat ist das also auch nicht.
Dieser Vorgang soll also einen erheblichen Eingriff in unsere Freiheit darstellen und die Gefahr bestehen, dass die Polizei ein Personenprofil von uns erstellt.

Andererseits aber nutzen wir das Internet mit all seinen hilfreichen Funktionen, googlen uns durch die Weltgeschichte, nutzen Online-Banking ganz selbstverständlich, freuen uns, wenn uns bei Facebook gerade die Werbung angezeigt wird, die uns interessiert und per E-Mail versenden wir gerne mal unsere Bankdaten unverschlüsselt.

Im Endeffekt bedeutet das doch, dass wir Google und Facebook viel vertraulichere Daten zur Verfügung stellen und diese daraus auch noch Profit schlagen und pro Personenprofil 50€ verdienen. Aber der Staat soll es sein, der unsere Daten missbraucht?

Dabei ist insbesondere bei der Speicherung bei IP-Adressen noch längst nicht auf den Täter bzw. auf eine einzelne Person zu schließen. Auf kaum einen Router hat lediglich eine Person Zugriff. Vielfach ist es doch so, dass auch Freunde das WLAN zu Hause nutzen. Dass ein potenzieller Täter allein anhand der IP- Adresse ermittelt werden könne, ist also auch nicht richtig.

Auf der anderen Seite möchten wir, dass Straftaten aufgeklärt werden. Und zwar so schnell und effektiv wie möglich, damit der Täter zur Verantwortung gezogen wird und keine weiteren Personen schaden nehmen.
Nun ist es ja auch nicht so, dass die Vorratsdatenspeicherung bei jedem kleinen Handydiebstahl oder bei einer Körperverletzung zwischen Betrunkenen zur Anwendung kommen kann. Die Anwendbarkeit ist auf schwere Taten beschränkt, auf die Zustimmung der Staatsanwaltschaft und den Vorbehalt der Richter angewiesen. Eine Abfrage von gespeicherten Daten bei den Telekommunikationsanbietern ist somit an dieselben Voraussetzungen geknüpft wie etwa eine Wohnungsdurchsuchung oder der sogenannte „Große Lauschangriff“. Dabei ist es doch der wesentlich größere Eingriff in unsere Freiheits- und Persönlichkeitsrechte, wenn die Polizei morgens um 7 Uhr vor unserer Tür steht und unsere Wohnung durchsucht oder aber im Falle des „Großen Lauschangriffs“ bei unseren Telefonaten mithört. In diesem Falle zu sagen, es gehe darum, dass die Telekommunikationsanbieter die Daten ja auf Vorrat speichern und dies der eigentliche Eingriff sei und alle unter Generalverdacht stellen überzeugt auch in der Hinsicht nicht, dass die Polizei jeden Tag die Möglichkeit hat unsere Wohnungen zu durchsuchen. Denn der Staat weiß, wo ich wohne oder zumindest gemeldet bin. Das Einwohnermeldeamt wäre also die größte Vorratsdatenspeicherungsbehörde im Land.

Unser Leben verlagert sich immer mehr ins Netz. Ist es nicht dann ein Widerspruch, wenn wir unsere Polizei noch mit Hammer und Meißel arbeiten lassen aber eine effektive Strafverfolgung erwarten? Wir dürfen es unserer Polizei nicht schwerer machen, als sie es nicht ohnehin schon hat. Unsere Strafverfolgungsbehörden dürfen nicht immer nur hinterherlaufen, sie muss den Tätern einen Schritt voraus sein, wenn die Verabredung zu Verbrechen über Telekommunikationsmittel erfolgt. Nur so kann die Sicherheit in unserem Land gewährleistet werden.

Das Argument, die Vorratsdatenspeicherung habe vor dem letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichts kaum Taten aufklären können, läuft genauso ins Leere. Denn jede Tat, die nicht aufgeklärt werden kann, ist eine zu viel. Und die Vorratsdatenspeicherung ist nun mal nicht dafür da, massenhaft angewendet zu werden. Sie bleibt ein Ausnahmefall, wenn der Polizei keine anderen Ermittlungsansätze zur Verfügung stehen. Und jede Tat, die mithilfe der Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt werden kann, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Seit den Anschlägen auf Charlie Hebdo ermittelt die französische Polizei mittels Verbindungsdaten im Umfeld der Täter, um Strukturen, Hintermänner und Komplizen ausfindig zu machen. In dem Falle sind wir uns wohl über die Notwendigkeit einig.

Aber so weit muss es doch gar nicht erst kommen. Stellen wir nicht unsere eigenen Belange über die Sicherheit der Allgemeinheit, wenn wir einen Abruf von Verbindungsdaten zu Ermittlungszwecken ablehnen? Weil unser Telekommunikationsanbieter speichert, mit wem wir wann wie lange telefoniert haben (was er ohnehin vorher auch schon getan hat), nehmen wir in Kauf, dass eine schwere Straftat nicht aufgeklärt wird, die Opfer und Angehörigen möglicherweise ewig in Ungewissheit leben und weitere Menschen gefährdet werden?! Verantwortung und Solidarität bedeutet für mich etwas anderes. Wir und insbesondere die Polizei brauchten die Vorratsdatenspeicherung.
In einem Aspekt sind sich die Kritiker und ich allerdings einig, es steht außer Frage, dass es keine Möglichkeit geben darf, wie die Daten an unbefugte Dritte gelangen können. Ich vertraue allerdings unserem Staat, auch wenn der eine oder andere das naiv nennen mag.